Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Strohhut, den ich ihm aus Florida mitgebracht habe. Es ist Sonntag, die Sonne scheint, und wir sind in guter Stimmung.
Wir besichtigen Gräber auf dem Friedrichshagener Friedhof. Wir wollen uns ein Familiengrab aussuchen, nachdem wir die Gruft nicht bekommen haben. Schade, sie war wie für uns gemacht. Ein kleines graues Häuschen, da hätten sich die Haußmänner wohlgefühlt. Aber das war alles zu kompliziert. Heute wird niemand mehr in einer Gruft begraben. Und wir hatten es uns so schön vorgestellt. Seit zwei Jahren sprachen wir schon darüber, immer mal wieder. Ich wollte, dass man da drinnen in Sesseln chillen und Videos der dort Begrabenen anschauen konnte. Es sollte immer ein guter Tropfen in einem natürlichen Eisschrank da sein. Die, wie wir sagten, »Leute-Knochen« sollten raus. Und jeder, der mit reinwollte oder sollte, also angeheiratete oder entferntere Angehörige, musste bei uns durch ein kompliziertes Genehmigungsverfahren, das sehr subjektiv und stimmungsabhängig war.
Aber wie gesagt, daraus wurde nichts. Nun wurden wir von der Situation überrascht.
Wir besichtigen die riesigen Familiengräber. »Das da finde ich gut«, sagt mein Vater und zeigt auf zwei mächtige schwarze glänzende Säulen, die ein schweres Dach mit einem Kruzifix tragen. Auf der weißen Marmortafel steht: Familie Müggelberg. »Die müssen dann natürlich raus«, sagt mein Vater und schaut auf das Datum. »Lange drüber«, sagt er und lacht.
Eine steinerne Bank ist in die Mauer eingelassen, die zum Verweilen einlädt, und ein Zaun mit eisernen Speeren umfasst das Ganze. »Das gefällt mir«, sagt mein Vater und setzt sich vergnügt auf die Bank.
»Ezard«, sagt meine Mutter, schüttelt den Kopf und zeigt auf ein anderes Grabmal, es ist natürlich schlichter. Mein Vater zieht einen Flunsch. Ich auch. Wir wollen das mit den Säulen.
»Das ist zu protzig«, entscheidet meine Mutter, »wir nehmen das mit den Backsteinen und dem schlichten Kreuz auf dem Kupferdach.«
»Aber da fehlt eine Steinkugel auf der rechten Seite«, wendet mein Vater zaghaft ein.
»Das wird ein Leichtes sein, sie zu ersetzen. Wir beauftragen einen Steinmetz«, sagt meine Mutter.
»Das könnte doch Marten machen«, sagt Iris, »der ist doch so geschickt und kostet nichts.«
»Ich will aber das hier«, sagt mein Vater und macht keine Anstalten sich zu erheben, »das wird unserer Familie doch gerecht.« Wenn er könnte, würde er sich an den Säulen festklammern. »Ezard«, sagt meine Mutter, sie ist da nicht umzustimmen, »das ist auch zu teuer.«
»Na gut«, sagt mein Vater, »dann nehmen wir das, hast wahrscheinlich recht.« Er bleibt noch eine Weile auf der Bank sitzen, es fällt ihm schwer, von dem Prachtstück von Grab Abschied zu nehmen. Ich mache ein Foto. Dann gehen wir zur Friedhofsverwaltung und zahlen das Grab an. Es kostet für fünfzig Jahre fünftausend Euro. Wir verpflichten uns, es auf eigene Kosten restaurieren zu lassen.
Morgen wird mein Vater die Diagnose bekommen, aber eigentlich kennen wir sie schon heute.
Mein Vater touchiert ein entgegenkommendes Auto. Er reißt das Lenkrad noch rechtzeitig herum.
»Ezard!«, schreit meine Mutter. »Was machst du denn?« Meine kleine Tochter vorne im Kindersitz, Annika und ich hinten, wir lachen unsicher. Beim nächsten, diesmal parkenden Auto, reißt er einen Seitenspiegel ab. Wir halten in einiger Entfernung. »Leander, geh mal hin und gucke, wie hoch der Schaden ist und ob uns einer gesehen hat.« Den Rest des Weges fährt meine Mutter.
Meine Schwester ruft mich an, keine Ahnung, wo ich gerade bin. »Reg dich jetzt nicht auf, aber die Ärzte haben ein Meningeom in Papas Kopf festgestellt, sie müssen es rausholen, nicht schlimm, Routine.«
Mein Vater wacht auf. Es ist nach der OP , wir stehen an seinem Bett. Die Ärzte sind komisch zu uns, vor jedem Satz räuspern sie sich. Es ist ein einziges Geräuspere.
Mein Vater sagt zu meiner Mutter, er denkt, wir hören es nicht: »Es reicht ja auch.«
Zwei Tage später. Komische Sache. Mein Vater erzählt, einer seiner Schauspielstudenten hätte ihn angerufen und gesagt, es sei an der Zeit, dass er stürbe, und wenn er jetzt nicht stürbe, würde er nachhelfen, ihm mit einem Messer die Kehle aufschneiden. Mein Vater hätte dessen Freundin gefickt. Ob es ein Traum war, wer dieser Student war, wir finden es nicht heraus.
Ich brülle durch die Gänge der Krebsstation in der Charité: »Wenn nicht sofort ein kompetenter Arzt kommt, der uns
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