Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
sagt, was hier los ist, werde ich …« Ich weiß nicht, was ich werde. Meine Mutter sagt: »Jetzt beginnt das Sterben.«
Ist es schon Winter? Die Sonne scheint. Es gibt keinen festen Boden mehr unter den Füßen. Alles Watte. So weit mein Inneres.
Wir sitzen bei einem Italiener in der Grolmannstraße in Berlin-Charlottenburg. Die beiden Filmproduzenten Günter Rohrbach und Corinna Eich und ich. Ich räuspere mich, denn ich brauche einen Anlauf. So als müsste ich ein Geständnis machen.
Mir fällt auch nichts ein. Nichts, was den Satz, der nun kommen soll, irgendwie auffangen würde, nichts, was die beiden, die ja einen Film mit mir machen werden, dessen Drehbeginn in einer Woche sein wird, entlasten würde. So was in der Art wie: »Macht euch keine Sorgen, ich schaffe das schon.« Wie ein Bergsteiger, der in der Felsspalte klemmt und sagt: »Lasst mich hier einfach liegen, geht weiter.«
Aber ich sitze da wie ein Schüler, der nur Probleme macht und der gerade wieder ein zwar unverschuldetes, aber doch eben ein Problem hat. Alles um mich herum verschwimmt, in meinem Ohr rauscht es, ein Störgeräusch, das mich von diesem Moment an begleiten wird, der Boden ist weit unter mir, meine Beine baumeln, als säße ich auf einem in die Höhe wachsenden Stuhl, im Gegenzug schrumpfe ich. Rohrbachs Augen blinzeln mich an, sein Lächeln ist traurig, er ahnt, was kommt. Und er schrumpft mit mir, wir schauen nach unten.
Dann sage ich: »Mein Vater hat keine Chance mehr, die Ärzte geben ihm nur noch ein paar Wochen, der Tumor wächst, ein dritte Operation macht keinen Sinn mehr, es kann sein, dass er während der Dreharbeiten zu ›Hotel Lux‹ stirbt.« Ich will keine Pause aufkommen lassen, die zwei nicht in eine Situation bringen, die keinen Ausweg kennt. Es ist ja irgendwie eine intime Sache, und so gut kennt man sich ja noch nicht, deswegen spreche ich gleich weiter: »Und deshalb wäre meine Frage, ob ich diesen Film meinem Vater widmen kann.«
»Natürlich«, sagt Rohrbach.
Corinna lächelt.
»Mit fünfzig macht man die besten Filme«, hatte mir Rohrbach ein gutes Jahr zuvor zu meinem fünfzigsten Geburtstag geschrieben. Mein Vater hielt eine Rede und ich benahm mich wie ein Lümmel, weil ich nicht wahrhaben wollte, was so offensichtlich im Raum stand.
Eine Woche vorher hatte mein Vater die Diagnose, ein Meningeom, gutartig, bekommen.
Zwei Wochen vorher hatten wir uns ein Häuschen in Ferch, in der Nähe von Potsdam, angesehen. Ich hatte den Wunsch nicht aufgegeben, ein Häuschen zu besitzen. Die ganze Familie einschließlich meines Vaters kam mit. Er hatte darauf bestanden. Mein Vater war düster an diesem Tag. Mit dieser Düsternis hatte er schon die Tage in der Dominikanischen Republik verdunkelt, wo wir den Schluss von »Dinosaurier« drehten. Nun saß er vor dem kleinen Fachwerkhäuschen in Ferch und seine Aura war schwarz. Der Tod stand neben ihm. Ich sah nicht hin.
Als wir nach Berlin zurückfuhren, touchierte er das Auto und wir gingen zum Arzt.
Gefühlte zehn Ärzte stehen um meinen Vater. Mein Vater schaut mit großen Augen von einem zum anderen. Eine Ärztin bricht in Tränen aus, weil mein Vater Hölderlin zitiert.
Die gefühlten zehn Ärzte stehen um meine Mutter und mich herum und sprechen von einem halben Jahr.
Ich telefoniere mit meiner Schwester. »Du musst nach Hause kommen.« Meine Schwester hat Glück gehabt und das beste Hotelzimmer auf Mallorca bekommen, mit Terrasse. Sie braucht die Koffer nicht zu packen. Sie ist mit ihrem Mann gerade erst angekommen, es ist ihr erster Urlaubstag, und die Koffer sind noch nicht ausgepackt.
Mein Vater liegt in einem schicken Zimmer der Reha-Klinik, umgeben von Plakatentwürfen zu unserem letzten gemeinsamen Film die »Dinosaurier«. Mein Vater liegt unter dem Bett. Keiner ist da, er weiß nicht, wie er wieder ins Bett kommt. Irgendwann wird ihn der Morgendienst finden.
Auf einem Gang mit Haltegriffen bittet ein Mann im weißen Kittel, der Chef der Reha, meine Mutter in sein Zimmer. »Warum nehmen Sie Ihren Mann nicht mit nach Hause und lassen ihn in Ruhe sterben?« Der Arzt ist Wiener.
Auf dem Flur steht ein Assistenzarzt und zeichnet zwei Gehirnhälften auf ein Blatt Papier und dann einen schwarzen Punkt rein, den er mehrmals, wie ich finde, sinnlos umkreist. Mein Vater nickt, zweite Operation.
Mein Vater sitzt im Rollstuhl. Es ist Winter. Schnee. Raucherinsel. Er redet und redet. Ich habe mich in einem Hotel gegenüber der Reha
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