Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Nicht eine gute Kritik. Ich suche in den kleineren. Nicht eine gute Kritik. Im kleinsten Dorfblatt nicht eine gute Kritik. Nicht mal in den Zeitungen, die umsonst ausliegen.
Ich schreibe einen Entschuldigungsbrief an die Zuschauer, vornehmlich an die bayerischen Zuschauer, und veröffentliche ihn im Spiegel .
Ich betrete Bayern erst wieder, nachdem Gras über die Sache gewachsen ist. Circa nach fünf Jahren.
Nicht nur erkennt mir die Wiener Staatsoper die Nachfolgeinszenierung ab, ich werde in all den Jahren bis heute nie wieder eine Oper inszenieren.
Noch heute kann man die »Fledermaus« an der Bayerischen Staatsoper besichtigen. Allerdings mit einer Änderung. Aus »Eine Inszenierung von Leander Haußmann« wurde »Nach einer Inszenierung von Leander Haußmann«.
34 26.JUNI 1998
26.JUNI 1998
34 OBWOHL ICH SOLLTE: Ich liege nicht alleine in dem Bett im Albrechtshof in Berlin. Neben mir liegt Annika.
Einen Abend zuvor haben wir am Berliner Ensemble an einem Spektakel, das die Welt nicht braucht, teilgenommen. Irgendwas mit Brecht. Jeder hat was gemacht. Das war so was, wo auch Schlingensief dabei war. Gemacht, gespielt, vergessen.
Das Telefon klingelt. Es könnte meine Exfrau Christiane sein, mit der ich verabredet bin und die meinen sechs Jahre alten Sohn vorbeibringen will. Aber sie ist es nicht. Es ist Christina. Denn heute, das fällt mir nun mit Schrecken ein, ist der 26. Juni 1998, mein neununddreißigster Geburtstag. Meine Freude über diesen Anruf hält sich in Grenzen, zumal mich Annikas Augen und Ohren mit großem Interesse verfolgen.
Christina hat gute Laune. Das ist nicht immer so. Ich versuche normal zu klingen, aber es gelingt mir nicht. Ich höre mich stoffelig an, bin maulfaul, eintönig. So jedenfalls beschreibt mich Christina, aber sie lacht immer noch, wobei sich Schärfe in ihre Stimme schleicht. Vorsicht ist geboten: Christina ist nicht dumm. Sie bohrt nach, sie merkt natürlich, dass da etwas nicht stimmt. Sonst habe ich mich immer beklagt, dass sie mich so selten anruft, jetzt hält sich meine Freude deutlich in Grenzen. »Du freust dich ja gar nicht«, sagt sie.
»Doch«, sage ich, »ich freue mich.«
Man hört, wie sie an ihrer Zigarette saugt. »Du bist nicht allein.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Da liegt eine Frau neben dir!«
»Nein!«
»Gut, wenn da keine Frau neben dir liegt, kannst du ja jetzt sagen: Die Frau, die neben mir liegt, ist eine …« Sie denkt kurz nach. »… blöde Fotze«, sagt sie.
»Warum soll ich das sagen?«
»Weil ja keine Frau neben dir liegt.«
»Ja, warum soll ich es dann sagen?«
»Sag es!«
Ich sage es nicht. Ich bin jetzt sechzehn Jahre mit Annika zusammen und habe mit ihr zwei Kinder.
35 LIEBESERKLÄRUNG AN CLAUS PEYMANN ODER DER BE-BLUES
LIEBESERKLÄRUNG AN CLAUS PEYMANN ODER DER BE-BLUES
35 JEDER KOLLEGE, DER ETWAS AUF SICH HÄLT, meint, er könne Claus Peymann gut nachmachen. Es gibt ein paar Leute, die das wirklich können: Kirsten Dene zum Beispiel, oder Johann Adam Oest. Da hat Peymann den Kortner-Status, denn es gibt auch sehr viele Leute, die meinen, sie könnten Kortner gut nachmachen.
Peymann ist tatsächlich ein legendärer Intendant und ich hatte die Ehre, mich mit ihm auf offener Bühne anzuschreien und Schimpfwörter auszutauschen. Das ist mehr, als man je zu hoffen wagte, als man sonntags schon als kleiner Junge im Osten die große Theaterwelt mit offenem Mund einatmete. Auf RIAS -Berlin, die »Stimme der Kritik«, von und mit Friedrich Luft. Zadek, Peymann, Grüber, Stein. Die ganz große Welt.
Er soll noch toller sein, noch beeindruckender, der Umbau in Tschechows »Drei Schwestern«. Von Schlafstube nach außen, Fassade und Bäume. Eine gehörige Summe zusätzlichen Geldes war in die Bäume geflossen, die sich lautlos hinter dem geschlossenen Vorhang nach unten senkten, auf das mit Laub bedeckte Bühnentuch. Die Bühnenarbeiter des Burgtheaters sind begeistert. »Endlich mal was fürs Auge.« Und die Schauspieler? Man sieht sie nicht. Man sieht sie vor lauter Bäumen nicht. Sie spielen mit Verzweiflung gegen das Nicht-gesehen-Werden an.
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich schreie also rum. Das ist das Beste, wenn man merkt, dass was nicht stimmt, die anderen aber nicht merken sollen, dass man es weiß. Zum Zeitgewinnen. Denn mit Schuldeingeständnissen muss man als Regisseur sehr sparsam umgehen.
Nach der Schreierei kommt erst mal so eine dieser erschöpften Pausen. Wo sich jeder berappeln und ordnen
Weitere Kostenlose Bücher