Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
die Stirn.
Am Tag seiner Beerdigung erscheint er mir und ruft mir zu: »Es geht mir gut, denn ihr seid alle schon da. Ihr wisst es nur noch nicht.«
Zwei Monate später wird meine jüngste Tochter geboren. Wir drehen »Hotel Lux« und ich bin in irgendeinem Hotel in Mettmann. Habe das Telefon aus irgendeinem Grund, der mir bis heute schleierhaft ist, zum ersten Mal, eigentlich zum ersten Mal in meinem Leben, auf leise gestellt, und so höre ich es nicht. So kann mich Annika nicht erreichen.
Der Schnee liegt meterhoch. Bully Herbig übernimmt für diesen Tag die Regie. Ich verpasse die Geburt.
37 LEDERSTRUMPFERZÄHLUNG
LEDERSTRUMPFERZÄHLUNG
37 DREI MÄNNER WAREN ES, zwischen sechzig und neunzig Jahre alt, die ich die letzten der Mohikaner nennen möchte.
Es muss so um 1982 gewesen sein. Lothar Feix, ein Philosoph und Freund von Uwe Dag Berlin, hielt im »Café Mosaik« auf der Schönhauser – oder war es in der »Tute«? Egal! – eine lange Rede über den Film »Das Boot«, den er nicht gesehen hatte, über den er aber natürlich wie wir alle über ARD , ZDF und einen geschmuggelten Spiegel bestens informiert war. Dieser Monolog brachte sehr viel Spucke hervor, da Lothar schon damals kaum noch Zähne hatte. So wogte also zum Thema passend die Gischt aus seinem Mund mit den zwei Nosferatu-Hauern, die unter seiner Oberlippe hervorragten, während er dem Film »Das Boot« faschistische Tendenz vorwarf.
Hier völlig unerheblich ist Lothars Meinung. Auch wenn er schon lange nicht mehr lebt, muss man aber gerechtigkeitshalber einräumen, dass er ein Denker war, der sich in der Ostberliner Boheme verschlissen hatte, am Ende für nichts. Ich streue dieses Juwel der Erinnerung auch nur deshalb ein, weil ich mir immer wieder bewusst machen muss, was das für ein Weg für mich gewesen ist. Und wenn ich mit dem Finger über die Karte fahre, die wie ein Schnittmusterbogen aussieht, dann bekomme ich kleine rote Flecken auf dem Rücken, ein richtiger Ausschlag wird das dann.
Diesen Film, der da im Ostberliner Prenzl-Berg diskutiert wurde, und zwar so heftig und kontrovers, als säße man nicht in der DDR , sondern beim NDR oder bei Radio Bremen, »Drei nach Neun« (wo man ja später tatsächlich saß, nur nicht mehr so offen sprechen konnte), diesen Film, wegen dessen wir uns, während die Wolken der Langeweile ihren bleiernen Regen über uns ergossen, so heftig anschrien und an den Kragen gingen, als hätten wir da drüben keine anderen Probleme, diesen Film, den keiner kannte, außer vom Hörensagen, von dem wir uns also ein Bild machten, den Blinden gleich – diesen Film hatte Günter Rohrbach produziert.
Günter Rohrbach gehört zu den Produzenten, die man siezt und zwar bis zum bitteren Ende, und denen die große Geste nicht fremd ist. Kurz, einer, der die Sache nicht um seiner selbst, sondern um der Sache wegen macht. Der nicht sich im Film, sondern den Film liebt. Und der stets mit Erstaunen und Dankbarkeit zum Himmel schaut und dem Gott des Zufalls ein Opfer bringt.
Der andere hieß Horst Wendlandt und war unter anderem der Produzent von Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmen. Bei ihm hatte ich 1992 in seinem altmodischen Büro in der Bismarckstraße gesessen. Er packte einen Rucksack mit Kriminalromanen voll und brüllte, nachdem er mir eine Zigarre in den Mund gesteckt und mich mit Rémy Martin abgefüllt hatte: »Lesen Sie das mal! Und dann sagen Sie, was Sie verfilmen möchten.«
Der dritte war Bernd Eichinger, mit dem ich mal im Deutschen Theater an der Bar saß. Wir warteten beide auf unsere Freundinnen, seine spielte im Großen Haus, meine in den Kammerspielen. Er zahlte den dort üblichen schlechten Wein und wir sprachen miteinander, ohne dass ich ihm folgen konnte. Seine sich überschlagenden Worte, die oft schneller sein wollten als seine Gedanken, und der bayerische Dialekt waren einfach zu viel für meine Auffassungsgabe. Wir verstanden uns prächtig.
Später dann – das war während der Marketingkampagne zu dem Film »Dinosaurier«, die mit einem Wasserglas warb, in dem ein menschliches Gebiss schwebte – traf ich ihn auf dem Oktoberfest. Während er mit Katja auf dem Tisch tanzte, brüllte er mir zu: »Besser wäre ein Dinosaurier-Gebiss!« Ich winkte besserwisserisch ab, doch heute weiß ich, er hatte recht.
Das also waren für mich die drei letzten Mohikaner.
Nun sitze ich also, wir schreiben das Jahr 2013, mit dem allerletzten Mohikaner im Literaturhaus München. Wir lachen viel. Wir sind
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