Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
der Bewuchs niedergetrampelt war, und hielt den Atem an beim Anblick eines halben Dutzends nackter, verwesender Le i chen. Sie wagte sich eben nah genug heran, um sicherzustellen, dass es Erdleute waren und keine Seenläufer, dann saß sie ha s tig wieder auf.
Fawn fragte sich, ob die Patrouille diese Erdleute schon vor e i niger Zeit erschlagen hatte oder ob Hoharies Wachen es erst vor kurzem getan hatten. Der Gestank bot jedenfalls keinen einde u tigen Anhaltspunkt. Auch wenn sie keine Berglöwen sehen konnte, fühlte sie sich plöt z lich nicht mehr sicher. Sie zog bis lange nach Sonnenu n tergang weiter, hauptsächlich deshalb, weil sie zu viel Angst hatte, um anzuhalten.
In dieser Nacht rollte sie sich ganz klein und furch t sam in der undurchdringlichen Finsternis zusammen und schluchzte e r bärmlich, dumme Tränen vor Sehnsucht nach Dag. Sie grub ihr Gesicht in den Rand der Decke. Solange niemand dabei war, der sie sehen konnte, hätte Fawn wohl so laut heulen können, wie sie wollte. Sie wagte es allerdings nicht, unnötigen Lärm zu machen. Sie hoffte, dass jedes Raubtier im Umkreis von zehn Meilen zu vollgestopft mit Erdmann war, um noch Jagd auf Bauernmädchen und mollige, müde Pferde zu m a chen. Trotz ihrer Erschöpfung schlief sie miserabel.
Sie hatte sich gedacht, dass der letzte Morgen der schlimmste sein würde, und tatsächlich erwachte sie mit so heftigen Schmerzen wie erwartet. Aber nun hatte sie nur noch einen viel kürzeren Weg vor sich als am Vortag, und am Ende diesen T a ges würde sie Dag finden. Das Eheband bestätigte ihr das noch immer. Wenn sich überhaupt etwas änderte, so wurde das Pu l sieren in ihrem Arm allenfalls mit jeder verstrichenen Meile stärker und auch beunruhigender.
Kaum eine Stunde nach ihrem Aufbruch fand sie Hoharies L a gerplatz gleich neben der Straße. Die Erde, die man über die Asche der Lagerfeuer gestreut hatte, war immer noch warm. Nur das ebene Gelände und Fawns Gerte ließen Holde bis weit in den Nachmittag hinein vorwärtstrotten.
Als das Licht immer flacher von Westen her kam, ritt Fawn u n vermittelt aus dem feuchten Grün der endlosen Wälder hinauf auf eine offene Landschaft, die vor Hitze gleißte. Wir sind da.
Der Wald machte Feuchtwiesen Platz, deren Gras gelb und welk geworden war. Die armseligen Büsche, die überall ve r streut wuchsen, ließen bräunliche Blätter hä n gen oder hatten überhaupt keine mehr. Alles wirkte fremdartig und durchnässt. Vor sich konnte Fawn die dünne Rauchfahne eines Kochfeuers aufsteigen sehen, aus einer Gruppe skelettartiger Bäume, die entlang einer grau verblassten Küstenlinie standen. Jetzt brauc h te sie die gestohlene Karte nicht mehr, auch wenn sie schon während der letzten beiden Stunden nicht mehr darauf geschaut hatte. Ihr schmerzender Körper selbst sprach zu ihr: Dort, dort, er ist dort drüben! Hoharie und ihr kle i ner Trupp saßen gerade ab.
Als Fawn näher heranritt, kam Mari zwischen den Bäumen he r vor, wedelte mit den Armen und rief drä n gend: »Schließt eure Essenzen ab! Schließt eure Esse n zen! «
Hoharie wirkte erschrocken, beschrieb dann allerdings eine b e stätigende Geste und wandte sich Othan und den Streifenreitern zu, die anscheinend ebenfalls gehorchten. Sie sah Fawn, als di e se nur wenige Schritt entfernt ihre erschöpfte Stute zum Stehen brachte, und ihr Gesicht wurde starr. Aber bevor Hoharie noch etwas sagen konnte, war Mari schon an ihrer Seite und fuhr fort:
»Du bist früher hier, als ich zu hoffen gewagt hätte! Hat Dirla dich geholt? «
»Ja «, antwortete Hoharie.
»Gutes Mädchen! Habt ihr auch die Patrouille getro f fen, die wir nach Hause geschickt haben? «
»Ja, etwa einen Tag vom Hickory-See entfernt. «
»Ah, gut. « Maris Blick fiel auf Fawn, die über den vorderen Sattelbaum gekrümmt dasaß. »Warum habt ihr die mitg e bracht? « Der Ton dieser Frage war nicht einmal abweisend, sondern verriet echte Neugier, als könnte es einen guten, wenn auch rätselhaften Grund geben, Fawn dabeizuhaben.
Hoharie verzog das Gesicht. »Das haben wir nicht. Sie brachte sich selbst mit. «
Fawn warf den Kopf in den Nacken.
Othan beugte sich vor und zischte: »Du hast gelogen, Bauer n mädchen! Du hast versprochen, umzukehren! «
»Ich bin umgekehrt «, erwiderte Fawn herausfordernd. »Zwei Mal. «
Hoharie wirkte nicht sonderlich erfreut, aber der zugleich wi s sende und neugierige Ausdruck auf Maris G e sicht änderte sich kaum.
»Konntest du einen Blick
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