Bullenball
das sagen jedenfalls die Spurenleute. Wir haben seine
Fingerabdrücke am Hintereingang und an der Alarmanlage gefunden, er muss also
dort die Halle betreten haben. Am Kellerfenster haben wir keine Spuren von
ihm.«
»Also hatte er doch einen Schlüssel.«
»Sieht ganz so aus. Im Keller scheint er jedenfalls nicht gewesen zu
sein. Da unten sind überhaupt keine Fingerspuren gefunden worden, weder seine
noch die eines anderen. Trotzdem: Das kaputte Fenster spricht für einen zweiten
Einbrecher.«
»Der Handschuhe getragen haben könnte. Er hat dann die Scheibe
eingeschlagen, nachdem Matthis Röhrig die Alarmanlage ausgeschaltet hat. Sonst
wäre der Alarm losgegangen.«
»Richtig. Und dann ist er in die Halle. Das würde auch erklären,
warum wir nicht einmal eine Taschenlampe bei Matthis gefunden haben. Der zweite
Einbrecher hat alles mitgenommen, was er dabeihatte. Also auch den Schlüssel zu
dem Hintereingang, wo er rein ist.«
»Wir müssen also nur Matthis’ Taschenlampe finden, dann haben wir
auch seinen Mörder.«
»Falls er nicht doch einfach gestürzt ist. Ohne Fremdeinwirken. Auch
das wäre nach der Spurenlage gut möglich.«
Hambrock überlegte. »Wir sollten uns noch mal seine Freundin und den
Arbeitskollegen vornehmen. Tim und Vanessa.« Bevor Heike etwas erwidern konnte,
schob er hinterher: »Aber nicht du! Das soll ein anderer machen. Es wäre mir
lieber, wenn du ins Büro kommen und dich an die Vorschriften halten würdest.
Kein Außendienst mehr.«
»Schon verstanden. Ich mach jetzt Schluss, Hambrock. Mein Bus kommt
gerade. Wir sehen uns später.«
»Also gut. Bis dann.«
Er drückte die Verbindung weg und warf das Telefon auf seinen
Schreibtisch. Dann erhob er sich vom Besuchersessel, zog seine Jacke aus und
setzte sich an den Tisch. In seinem Posteingangsfach lag obenauf der
Obduktionsbericht. Er zog ihn hervor und schlug die erste Seite auf.
Es klopfte an der Tür. Es war Möller. Hambrock bat ihn herein, doch
er blieb auf der Schwelle stehen.
»Du sollst einen Herrn Suhrkötter von der Kreispolizeibehörde
Coesfeld anrufen. Ich konnte ihn nicht durchstellen, bei dir war gerade
besetzt.«
»Suhrkötter? Was wollte der denn?«
»Offenbar ist im Internet eine weitere Amokdrohung aufgetaucht.
Schon wieder das Anne-Frank-Gymnasium in Nottuln. Diesmal sieht es aus, als
wäre es ernst gemeint. Am Mittwoch will der Täter zuschlagen.«
Der Geruch von faulen Eiern hing wie schlechter Atem in der
Waschküche. Adelheids Mutter hatte die Schultasche irgendwann nach draußen
gestellt, damit sie auf dem Hof in Ruhe ausdünsten konnte. Sie war wütend auf
ihre Tochter.
»Weißt du eigentlich, was so eine Tasche kostet? Da kann man nicht
einfach eine neue kaufen! Wer soll das denn alles bezahlen?«
Adelheid drückte sich schweigend an ihr vorbei in die Küche, um das
Mittagessen aufzuwärmen. Zerkochtes Gemüse mit fadem Apfelkompott. Während sie
aß, hörte sie nebenan das Poltern ihrer Mutter in der Waschküche, lauter
grimmige und ruckartige Bewegungen, mit denen sie sich ihrer Tochter in
Erinnerung rufen wollte. Dann tauchte sie wieder in der Tür auf, die Arme fest
vor der Kittelschürze verschränkt.
»Es muss doch einen Grund haben, warum die anderen Schüler so etwas
tun!«, warf sie ihr entgegen. »Was machst du denn, dass die auf solche Ideen
kommen?«
Adelheid hockte stumm da. Sie verkroch sich ganz tief in ihr
Inneres, dorthin, wo sie nichts mehr spürte und alle Gefühle erstarrten. Dort
konnte ihr die äußere Welt nichts mehr anhaben.
»Na, wie auch immer«, murrte ihre Mutter. »Ich werde dir jedenfalls
keine neue Tasche kaufen.«
Damit verschwand sie wieder in die Waschküche. Adelheid stand auf,
spülte ihren Teller ab und ging nach oben in ihr Zimmer. Dort schloss sie die
Tür.
Der Raum war nüchtern eingerichtet. Billige Resopalmöbel und das
wuchtige Bauernbett ihrer Großeltern. An den Wänden einfache Holzregale und
eine braun gemusterte Tapete, die noch aus den Siebzigern stammte. Es gab keine
Poster und kaum persönliche Sachen. Nur eines fiel völlig aus dem Rahmen: der
riesige Computer, den Adelheid seit Kurzem besaß. Er war das Einzige im Raum,
das ihr wirklich etwas bedeutete. Ein Geschenk ihrer Lehrerin, die meinte,
Adelheid müsse wie alle anderen Schüler lernen, mit Computer und Internet
umzugehen. Die Nottulner Sparkasse war neu ausgestattet worden und hatte alle
Altgeräte dem Anne-Frank-Gymnasium gespendet. So war Adelheid zu ihrem ersten
Computer
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