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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Geschmack.«
    Er blickte in die Gesichter seiner Kollegen, in denen sich Abwägung
und Bedenken spiegelten, aber auch Skepsis.
    »Also gut.« Er lehnte sich zurück und nahm seinen Kaffee, der
langsam erkaltete. Dann lächelte er. »Und jetzt seid ihr an der Reihe.
Widerlegt die Theorie, so gut ihr könnt.«
    Soundcheck. Im Foyer der Halle dröhnten die Bässe. Irgendeine Band
aus Rheine, die beim Wettbewerb »Westfalen rockt!« mitmachte. Ein paar Takte
Lärm, dann plötzlich wieder Stille und die Stimmen der Tontechniker, die über
Einstellungen und Frequenzen diskutierten.
    Ben achtete nicht weiter darauf. Er stellte sich hinter den
Cocktailstand und hievte einen Karton mit Servietten auf den Tresen. Vanessa
stand neben der Zapfmaschine, die den Frozen Margarita auf Minusgrade
herabkühlte und dann servierfertig bereithalten würde. Sie hatte ihm den Rücken
zugewandt und sortierte den Inhalt der Kisten, die er aus dem Lieferwagen
herschleppte: Gläser, Strohhalme, Rohrzucker, Limetten, Schnaps.
    Die Tische und Bierstände waren bereits am Vortag vom Veranstalter
aufgestellt worden, nun kamen nach und nach die Betreiber und richteten sich
dort ein. Ben hatte den Stand mit Bastmatten, Kunstpalmen und Plastikblumen
geschmückt. Nun baute er gemeinsam mit Vanessa das Innenleben der Cocktailbar
auf. Vanessa gab sich nicht viel Mühe, freundlich zu sein. Sie war kurz angebunden
und wies ihn spröde und einsilbig in seine Arbeit ein.
    Nachdenklich betrachtete er ihren Rücken. Es war noch keine Woche
her, dass ihr Freund gestorben war, und sie stand hier auf einer
Großveranstaltung und schmiss den Cocktailstand. Soviel er wusste, waren die
Todesumstände nicht endgültig geklärt. Die Polizei ermittelte noch. Tim hatte
zwar erzählt, dass man beim Sicherheitsdienst von einem Unfall ausgehe. Ein
unbedachter Schritt eines Einbrechers in der Dunkelheit, mehr nicht. Das Ganze
war für Sanner-Secure auch so schon peinlich genug. Die konnten froh sein, vom
Management der Halle nicht gefeuert worden zu sein. Trotzdem. Wenn es keinen
Zweifel an der Unfalltheorie gäbe, hätte die Polizei ihre Ermittlungen längst
eingestellt.
    Vanessa nahm eine Kiste mit Limetten und schüttete sie ins
Spülbecken. Dann drehte sie den Wasserhahn auf. Ihre Bewegungen wirkten
krampfhaft, beinahe verbissen.
    Ben wollte gar nicht erst darüber nachdenken, wie es sich anfühlen
mochte, den Menschen zu verlieren, den man liebte. Jivan stahl sich sofort in
seine Gedanken. Bei der Vorstellung, ihm könnte etwas zustoßen, erfasste ihn
die nackte Panik. Er kannte ihn zwar erst seit sechs Monaten. Trotzdem war er
für ihn das einzig Wichtige im Leben.
    Er hatte Jivan kennengelernt, als dessen Theatergruppe durch
Deutschland getourt war und in Münster gastiert hatte. Dass er ihn überhaupt
getroffen hatte, war Zufall gewesen, denn Ben hatte gar nichts gewusst von dem
Brasilianischen Tanztheater. Er war auch nicht in der Vorstellung gewesen,
dafür aber in der Atelier Bar, schräg gegenüber vom Theater, wo ein
Studienfreund als Barkeeper arbeitete und wo die Theatergruppe an jenem Abend
ihre gelungene Aufführung feierte. Der Barkeeper hatte Ben irgendwann an die
Theke geholt, weil er von dessen Portugiesischkenntnissen wusste und ihn als
Übersetzer zurate ziehen wollte. Anfangs ging es nur darum, die Cocktailkarte
zu erklären. Doch dann hatte Ben Jivan entdeckt. Mitten in der lärmenden
fröhlichen Gruppe war er als Einziger still und zurückhaltend gewesen. Sein
Blick, der hatte alles losgetreten. Ein ruhiger und einnehmender Blick, der
jedem das Gefühl gab, wertvoll zu sein. Ben hatte in diese Augen gesehen und
sofort gewusst, dass dieser Moment etwas verändert hatte.
    Was folgte, war einer der schönsten Abende, die er bis dahin erlebt
hatte. Schummriges Barlicht, lange Gespräche und immer wieder kurze,
elektrisierende Berührungen. Jivan war in dieser Nacht nicht mit ihm nach Hause
gegangen. Sie hatten keinen Sex miteinander gehabt, wie es Ben von vielen
anderen Männerbekanntschaften gewohnt war. Nicht einmal einen Abschiedskuss
hatte es gegeben. Nur Jivans Augen, die unentwegt gelächelt hatten, und das
irritierende Gefühl, auf eine gänzlich neue Weise verstanden zu werden.
    Die darauffolgenden Tage fühlte Ben sich leer und verlassen. Hockte
den ganzen Tag auf dem Bett und starrte die Decke an. Er konnte nicht glauben,
was mit ihm passierte. Es waren doch nur ein paar Stunden gewesen, die er mit
diesem Brasilianer verbracht hatte. Aber es

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