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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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war nicht zu leugnen: Seit dieser
Nacht war er nicht mehr derselbe.
    Dann meldete sich Jivan bei ihm. Aus einem Kölner Hotel. Ben
brauchte nur zwei Stunden dorthin. In dieser Nacht wurde klar, dass sie sich
nicht mehr trennen wollten. Ben reiste der Theatergruppe hinterher, nach Essen,
Frankfurt, Kassel, Berlin. Alles andere war egal. Das Studium, sein Job im Copyshop.
Selbst sein Vater und das kalte, weiße Haus in Nottuln spielten keine Rolle
mehr.
    Nichts war mehr wie früher. Wenn er an sein altes Leben
zurückdachte, verspürte er Trauer. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, wie
ein Mensch so viel Einsamkeit und Leere aushalten konnte. In den Hotelzimmern,
wenn er an Jivans Körper geschmiegt dalag, unter den weichen Laken, vergoss er
heimliche Tränen um diesen fremden Menschen, der er einmal gewesen war. Mit
dessen Leben er nichts mehr zu tun hatte.
    Als die Tournee zu Ende ging, wusste er längst, was Jivan fragen
würde. Er wusste es, lange bevor er es aussprach: Gehst du mit mir nach
Brasilien? Sie war ganz natürlich und selbstverständlich, diese Frage. Ebenso
wie seine Antwort.
    Vanessa beäugte die Maschine für den Frozen Margarita. Sie schaltete
die Stromzufuhr ein und hob einen Kanister mit vorgefertigtem Margarita
mühevoll hoch, um ihn über den Kopf zu stemmen und in die Maschine zu füllen.
Da bemerkte sie Bens Blicke. Sie hielt inne. In ihr Gesicht trat wieder dieser
schroffe Ausdruck. Ben hätte sie am liebsten in den Arm genommen, um ihr ein
bisschen Trost zu spenden, aber das war natürlich unmöglich. Sie kannten sich
ja kaum. Also schenkte er ihr stattdessen ein warmes Lächeln und nahm ihr den
Kanister ab.
    »Lass mich das doch machen«, sagte er. »Der ist viel zu schwer.«
    Sie zögerte. Da war Misstrauen zu spüren. Argwohn.
    »Ich kann inzwischen ganz gut mit den Maschinen umgehen«, sagte er.
»Das bekomme ich schon hin.«
    Er lächelte, und endlich verschwand das Misstrauen aus ihren Zügen.
    »Du hast doch eben eine rauchen wollen, als der Lieferwagen kam.
Mach doch einfach jetzt eine Pause, ich bin ja hier am Stand und passe auf.«
    Sie runzelte die Stirn. »Also gut.« Und dann, nach kurzem Zögern,
fügte sie mit einem angedeuteten Lächeln hinzu: »Danke.«
    Sie kramte ihre Zigaretten hervor. Ben stemmte den Kanister hoch und
goss die Flüssigkeit in die Maschine.
    »Hey, Ben.« Eine vertraute Stimme hinter ihm. Er drehte sich um. Es
war Tim. »Wie läuft’s denn so?«
    Er stellte den Kanister ab. »Ganz gut, danke.«
    »Hey, Vanessa.«
    Die beiden tauschten einen Blick. Wieder war da ein Anflug von
Misstrauen in ihrem Gesicht.
    »Hey«, sagte sie und kletterte hinter dem Stand hervor. »Ich geh
eine rauchen. Bis später.«
    Tim verzog das Gesicht. »Die ist ja wieder gut drauf«, meinte er,
als sie außer Hörweite war. »Du tust mir echt leid, mit der den ganzen Abend
zusammenarbeiten zu müssen.«
    »Ach, lass sie in Ruhe. Sie hat gerade ihren Freund verloren. Ich
kann schon verstehen, dass sie da keine Stimmungsbombe ist.«
    »Wenn du meinst.«
    Eine Weile unterhielten sie sich über belanglose Dinge, dann musste
Tim zurück zu seinen Kollegen. Sein Dienst würde jetzt beginnen.
    Ben blieb allein hinterm Tresen der Cocktailbar zurück und
betrachtete das bunte Treiben um ihn herum. Alle waren damit beschäftigt, die
Vorbereitungen zu Ende zu bringen. Keiner ahnte etwas von seinem Geheimnis.
    Nach dem Bullenball würde er in sein WG -Zimmer gehen, sich
als Hip-Hopper verkleiden und danach heimlich das Haus verlassen. Wenn er erst
auf der Straße war, würde ihn keiner mehr erkennen. Er wollte den Zug nach
Bremerhaven nehmen, von wo aus es mit dem Schiff weiter über den Atlantik gehen
würde. Mit dem gefälschten Pass würde ihm die Einreise gelingen, nirgendwo
tauchte sein echter Name auf. Das war sein Plan: Er würde verschwinden. Einer
dieser zigtausend Vermissten sein, die Jahr für Jahr einfach verloren gingen,
ohne eine Spur zu hinterlassen. Als hätte sie der Erdboden verschluckt. Seine
Kleidung, seine Brieftasche, alle wichtigen Unterlagen blieben unberührt. Es
sähe aus, als wäre er nur schnell Zigaretten holen gegangen. Und seine Spuren
würden sich im Nichts verlieren, ganz so, als hätte er niemals existiert.
    Das war die Rache, die er sich für seinen Vater ausgedacht hatte.
Seine Eltern würden niemals erfahren, was mit ihm passiert war. Sie würden
keine Gewissheit erlangen, ob er tot war oder lebendig. Es gab Menschen, die
wurden vergewaltigt und ermordet

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