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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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seine
Theorie stimmte, konnte es heute Abend gefährlich werden. Keinesfalls durfte
sie auch nur in die Nähe der Kongresshalle gelangen.
    Heike steuerte den Wagen in das Parkhaus hinterm Bahnhof. Sie waren
keine Minute zu früh. Während Hambrock im Laufschritt das Bahnhofsgebäude
betrat, erreichte der Regionalzug aus Enschede gerade das Gleis über seinem
Kopf. Er hastete die Treppe hinauf. Die ersten Reisenden kamen ihm bereits mit
Taschen und Koffern entgegen. Auf dem Bahnsteig herrschte reges Treiben. Er
blickte sich um.
    Da entdeckte er Erlend, ein paar Meter von ihm entfernt an einer
Zugtür, wie sie gerade ihren Koffer auf den Bahnsteig hievte. Sie trug den
Ledermantel, den er so liebte, weil er sie aussehen ließ wie Catherine
Zeta-Jones in einem Wildweststreifen. Ledermantel und hochhackige
Cowboystiefel. Es verschlug ihm den Atem. Sie stellte den Koffer ab, warf sich
die Haare aus dem Gesicht – und dann entdeckte sie ihn. Ihr Gesicht hellte sich
auf.
    Wenn Hambrock glaubte, sie würde ihn, wie so oft, mit einer
ironischen Bemerkung begrüßen, dann irrte er sich. Da war nur
Wiedersehensfreude. Sie fiel ihm einfach in die Arme. Doch irgendwann hob sie
den Kopf und entdeckte Heike Holthausen und Guido Gratczek, die sich am
Treppenaufgang herumdrückten und verschämt auf den Boden blickten. Sie löste
sich aus der Umarmung und sah Hambrock fragend an.
    Das war der Moment, in dem er am liebsten im Boden versunken wäre.
Es gab nur einen Grund, weshalb seine Kollegen dort standen, und das war Erlend
ebenfalls klar. Er spürte plötzlich eine solche Scham über sein Versagen als
Ehemann und Geliebter, dass er ihr nicht ins Gesicht sehen konnte.
    Er stellte seinen Beruf über ihre Beziehung. Wieder einmal. Er
musste zur Kongresshalle, um nach Marlon Wennemann Ausschau zu halten. Er
konnte gar nicht anders.
    Erlend betrachtete ihn genau. Noch immer war kein Wort zwischen
ihnen gefallen. Dann passierte etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Sie
lächelte, nahm sein Gesicht in ihre Hände und ließ es nicht aus den Augen.
Schließlich küsste sie ihn auf den Mund und gab ihr Einverständnis.
    »Ich warte zu Hause auf dich.«
    Niklas schlüpfte während der Busfahrt aus dem Kostüm und zog sich
seine Jeans über. Die jungen Frauen feuerten Jule an, sich ebenfalls im Bus
umzuziehen. Andere Fahrgäste blickten bereits verstohlen zu ihr herüber. Doch
Jule wollte ihnen diesen Spaß nicht gönnen. Sie wartete, bis der Bus vor der
Halle Münsterland hielt, und schlug sich gemeinsam mit Uli in die Büsche an einem
Parkplatz, wo sie sich im Schutz der Dunkelheit umzog.
    Jule spürte den Alkohol. Er gab ihr aber nicht das Gefühl der
Entspannung, das sie sich erhofft hatte. Stattdessen erreichte er, dass sich
alle Gedanken auf das richteten, was sie am liebsten vergessen hätte. Jonas war
nicht schwul, wie Uli im Scherz bemerkt hatte. Es war viel schlimmer.
    Sie streifte sich die rote Strumpfhose über und stieg dann in den
weißen Overall. Dieses alberne Kostüm. Es passte so gar nicht zu der Stimmung,
in der sie sich befand. Uli stand neben ihr, hielt ein paar Zweige hoch und
redete in einem fort. Sie war bereits stark angetrunken, das war ihr
anzumerken. Jule hörte gar nicht richtig zu. Als sie den Pappmascheekopf von
Uli entgegennahm, hielt sie plötzlich inne.
    »Uli, ich kann das nicht.«
    »Das Kostüm?«
    »Nein. Einfach alles.«
    »Aber …«
    Uli sah sie betroffen an. Hilflos. Als könne sie sich nicht
entscheiden, ob sie ihrer Freundin das alles ausreden oder doch besser darauf
eingehen sollte.
    »Ach, vergiss es.« Jule nahm den Kopf und setzte ihn sich auf.
»Vergiss alles, was ich gesagt habe. Gib mir die Eier.«
    »Aber …«
    »Jetzt gib sie mir schon.«
    Uli reichte ihr den Korb.
    »Gehen wir.«
    »Jule, wenn du reden willst …«
    »Nein. Nicht jetzt.«
    Es war der falsche Zeitpunkt. Außerdem war Uli angetrunken. Jule
musste sich zusammenreißen. Einfach versuchen, sich treiben zu lassen. Die
Stimmung der anderen in sich aufnehmen und alles andere vergessen. Irgendwie
würde ihr das schon gelingen.
    Die Frauen standen auf dem Platz vor der Halle. Marie ging mit einer
Flasche Kirschlikör herum und schenkte allen noch einen ein, bevor es auf den
Ball ging. Trinklieder wurden angestimmt, es wurde gelacht und herumgealbert.
    Jule sah zur Kongresshalle hinüber. Vor dem Einlass hatte sich eine
lange Schlange gebildet. Gerade wurden im hell erleuchteten Eingangsbereich die
Türen geöffnet. Ein

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