Bullenhitze
dem Mann eine SMS, in der er ihm mitteilte, dass er sich in Ruhe um die Kinder kümmern könne, und wünschte seiner Frau eine gute Genesung.
»Sallner ist ausgefallen«, berichtete er seiner Frau, die bereits im Bett lag, als er das Schlafzimmer betrat. »Seine Frau ist im Krankenhaus, nun muss er sich um die Kinder kümmern. Das heißt, dass ich morgen um sieben in der Firma sein muss.«
»Schade«, antwortete sie mit traurigem Gesicht, »aber die Arbeit geht nun einmal vor. Dann müssen wir eben den Wecker auf Viertel vor sechs stellen, damit wir auf keinen Fall den Sternchentag versäumen.«
Wieder ertönte ein lautes Geräusch aus seinem Bauch. Wohlrabe öffnete seine Weste, drückte ein paarmal mit den Fingern auf den Oberbauch, und zuckte mit den Schultern. »Du hast recht, ich finde es auch schade. Gott sei Dank haben wir beide kein Problem damit, so früh aufzustehen.«
»Und so früh fit zu sein«, gab sie lächelnd zurück.
Zwei Stunden danach lag der Bestattungsunternehmer noch immer wach, lauschte dem ruhigen, gleichmäßigen Atmen seiner Frau, und kämpfte mit einer immer stärker werdenden Übelkeit, die von in Wellen wiederkehrenden Magenkrämpfen begleitet wurde. Wohlrabe stand leise auf, ging ins angrenzende Bad, öffnete den Arzneischrank, kramte darin und fand ein Medikament, das hoffentlich gegen seine Beschwerden helfen würde. Er träufelte sich 50 Tropfen direkt in den Mund, steckte die kleine Flasche zurück in die Verpackung und schlich ins Bett. 15 Minuten danach fiel er in einen unruhigen, von schmerzhaften Krämpfen häufig unterbrochenen Schlaf.
*
»Ich kann heute Morgen nicht«, erklärte er seiner Frau, nachdem der Wecker geklingelt hatte und sie auf seine Seite des Bettes und unter seine Decke gekrochen war.
»Was ist los?«, fragte sie verschlafen. »Noch zu betrunken?«
»Nein, das nicht«, erklärte er und befreite sich aus der Umklammerung ihrer Beine. »Ich habe ganz schlecht geschlafen. Mir ist, seit ich ins Bett gegangen bin, speiübel. Außerdem rumort und krampft es in meinem Magen und meinem Darm, dass es kaum auszuhalten ist. Und Durchfall habe ich obendrein.«
Sie beugte sich hoch, setzte sich aufrecht, und griff nach seiner Hand. »Dann lass uns gleich zum Arzt fahren. Das kommt doch bestimmt von dem Essen gestern Abend, auch wenn es noch so vorzüglich geschmeckt hat.«
»Nein, nein, so schlimm ist es auch wieder nicht. Ich ziehe mich jetzt an, mache mich fertig und fahre in die Firma. Wirst sehen, heute Mittag ist es bestimmt schon vorbei. Wahrscheinlich habe ich den vielen Alkohol nicht vertragen oder mir den Magen verdorben.« Er sah sie mit verkniffenem Gesicht an. »Du sagst doch immer, dass ich einen Magen wie ein Pferd habe, also: Lass mir etwas Zeit und ein paar Espressi, dann geht es wieder.«
Monika Wohlrabe betrachtete ihren Mann skeptisch. »Das wäre schön, Günther, aber du siehst wirklich ganz und gar nicht gut aus.«
Er schälte sich kraftlos aus dem Bett, richtete sich auf und trommelte wie Tarzan mit den Fäusten auf seiner Brust.
»So eine Magenverstimmung habe ich doch öfter, die haut doch einen Günther Wohlrabe nicht um. Ich mache mich fertig, und du schläfst noch ein paar Stunden. Wenn ich heute Nachmittag zurückkomme, bin ich das blühende Leben und bereit, dich mit meinen Spermien einzudecken. O. K.?«
»Gut«, antwortete sie alles andere als überzeugt, wusste allerdings, dass sie keine Chance hatte, ihn umzustimmen. Pflichterfüllung und Pflichtbewusstsein gehörten zu seinen bevorzugten Sekundärtugenden.
»Außerdem habe ich eine Überraschung für dich, und davon will ich dir unbedingt später noch erzählen«, eröffnete er ihr.
»Eine Überraschung? Das klingt ja spektakulär.«
»Worauf du dich verlassen kannst, Monika. Bald geht bei uns ein ganz anderer Tanz los. Mit dir zusammen könnte ich nämlich die ganze Welt aus den Angeln heben. Ach was, das ganze Universum! Nur leider nicht heute«, fügte er noch an und war schon wieder auf dem Weg zur Toilette.
*
Um Punkt 7 Uhr rollte der BMW durch das Tor des Bestattungsunternehmens. Die beiden anderen Mitarbeiter, die an diesem Sonntag Bereitschaftsdienst hatten, waren längst da und saßen mit den zwei übermüdet aussehenden Kräften der Nachtschicht bei einer Tasse Kaffee im Aufenthaltsraum.
»Morgen, Männer«, begrüßte ein schwitzender, abgespannt und angeschlagen aussehender Wohlrabe seine Mannschaft.
»Morgen, Chef!«, schallte es ihm
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