Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Pinselohren. Die Katze ist keine Katze, sondern ein Luchs. Den hatten wir bisher gar nicht wahrgenommen, der hat nicht ein einziges Mal gezuckt.
»Heinrich«, sagt Dr. Sackmann streng. »Hinlegen.«
Heinrich lässt sich wieder aufs grüne Leder fallen und schnauft.
Ein Wachluchs ist das aber nicht.
* * *
Auf der Fahrt zurück ins Präsidium sitze ich im Dienstwagen vorne beim Calabretta, der Inceman sitzt hinten. Wir beide in einem Auto, das macht die Luft so dick, man könnte sie in Scheiben schneiden und damit jemandem auf den Kopf hauen.
»Woher wussten Sie das mit dem Glücksspiel?«, fragt der Calabretta.
»Der Tschauner hat mich vorhin noch kurz angerufen«, sagt der Inceman, »und ich dachte, wenn’s Not tut, hau ich das raus.«
»War bombig«, sagt der Calabretta. »Der Typ wirkte schön geschockt. Könnte sogar sein, dass da noch mehr hinter steckt als nur ein bisschen illegales Glücksspiel, oder?«
Genau.
Der Calabretta klopft ein paarmal kurz hintereinander mit der rechten Hand aufs Lenkrad und schiebt sein Kinn nach vorne.
»Auf jeden Fall weiß der was.«
»Klar«, sagt der Inceman. »Und auch wenn er noch mehr Dreck am Stecken hat, sollten wir uns wahrscheinlich auf seinen Deal einlassen.«
»Ich rede gleich morgen früh mit Oberstaatsanwalt Schubert«, sage ich.
Der Calabretta sagt: »Ich komme mit.«
Der Inceman sagt: »Ich grabe mich dann nochmal tiefer in Sackmanns Geschäfte ein.«
Ich lasse seine Stimme an mir abprallen. Ich blocke die Flut der Erinnerung ab, die seine Stimme immer mit im Gepäck hat. Ich schließe meine Schleusen, aus Sicherheitsgründen. Ich weiß ja bis heute nicht, was genau das war, das da im letzten Jahr zwischen uns passiert ist. Er sagte damals: Liebe. Ich bin erschrocken und hab mich heimlich aus seiner Umarmung gewunden, als er schlief. Überhaupt hab ich mich irgendwie rausgewunden, und auch da weiß ich bis heute nicht, wie genau und warum genau. Klatsche spielt eine große Rolle. Denn ohne Klatsche geht es nicht, ohne Klatsche bin ich nicht aufgehoben und bin ruhelos und fliege wie eine Wahnsinnige von Wand zu Wand.
Aber ohne den Inceman geht es auch nicht wirklich gut. Gestatten: Calamity Chas.
Ich schaue aus dem Beifahrerfenster, lasse das dünne Orange der untergehenden Sonne meine Pupillen und mein aufgescheuertes Herz wärmen und frage mich, ob die beiden Männer im Auto es eigentlich nicht merkwürdig finden, dass Dr. Henning Sackmann einen zahmen Luchs auf der Couch liegen hat.
Es scheint, als fänden sie’s ganz normal.
Ihr denkt, ihr seid die Jäger.
Ihr denkt, ihr habt die Macht.
Ihr haltet euch für clever.
Ihr fühlt euch groß und stark.
Ihr sagt, ihr seid die Guten.
Das werden wir noch sehen.
Ihr sollt auf Knien rutschen,
und dann einfach wieder gehen.
Ha.
Ihr denkt, diesmal habt ihr vielleicht eine Chance.
Nichts habt ihr.
Ihr seid Beute.
III.
IN DER REGENFABRIK
Unser Atlantiktief hat über Nacht Kraft getankt, der Wind hat sich aufgeladen, die Wolken haben sich so richtig vollgehauen, und jetzt lassen sie’s wieder krachen. Ich sitze in meinem Büro auf der Fensterbank und warte auf den Calabretta. Der Regen prasselt gegen die Glasscheiben, die Bäume ächzen und biegen sich, der Himmel verschluckt alles Licht, da draußen klebt irgendwas zwischen Grau und Braun.
»Moin, Chef.« Der Calabretta sieht aus wie ein begossener Pudel. Das Wasser tropft von seiner Lederjacke auf meinen Bürofußboden, seine dunklen Haare stehen in einige Richtungen vom Kopf ab. Er kommt zu mir rüber, lehnt sich ans Fensterbrett und sieht mich an.
»Na?«
»Ich weiß nicht«, sage ich.
»Was?«
»Ach«, sage ich. »Dieser blöde Mai.«
»Ja«, sagt er und seufzt. »Im Moment verkackt er an allen Fronten.«
Er kuckt aus dem Fenster, dann wieder zu mir.
»Kann man Ihnen und dem Kollegen Inceman eigentlich bei irgendwas helfen?«
Ich schüttele den Kopf und sage:
»Wir sollten wohl einfach mal miteinander reden.«
»War das doch was Ernsthaftes mit Ihnen beiden, diese Sache im letzten Jahr?«, fragt er. »Ich dachte immer, Sie und Klatsche … na ja, geht mich ja auch nichts an. Tschuldigung.«
»Schon okay«, sage ich. »Das ist kein Zustand so. Und spätestens wenn es alle im Team nervt, geht Sie das natürlich was an.«
Ich fummle mir eine Zigarette aus der Packung und biete dem Calabretta auch eine an, er lehnt ab.
»Ich bin nur ganz furchtbar schlecht in solchen Dingen«, sage ich, rutsche von der Fensterbank, kippe
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