Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
das Fenster und zünde meine Zigarette an.
»Willkommen im Club der Amateure«, sagt er. »Ich bin da ja auch nicht besser. Aber tun Sie mir einen Gefallen: Lassen Sie mich trotzdem wissen, wenn Sie meine Hilfe brauchen.«
»Vielleicht schieben Sie ihm eine Dienstanweisung rüber, dass er aufhören soll, mich zu ignorieren«, sage ich und der Calabretta grinst.
»Schwierig, Chef.«
Er sieht auf die Uhr.
»Wann sollen wir beim Oberstaatsanwalt antanzen?«
»Jetzt« sage ich, ziehe nochmal kräftig an meiner Zigarette und drücke sie in dem kleinen silbernen Aschenbecher aus, der auf meinem Schreibtisch steht und dringend mal wieder geleert werden müsste.
* * *
Oberstaatsanwalt Schubert sitzt an seinem Schreibtisch, frisst Akten und behandelt uns mit der für ihn typischen Mischung aus Höflichkeit und Herablassung.
»Schön, Sie zu sehen.« Er blickt kurz von seinem Schreibtisch auf; wir wissen alle drei, dass das gelogen ist. Ob er uns jetzt sieht oder eine Möwe in die Elbe scheißt, ist dem so was von egal. »Frau Riley. Herr Calabretta. Bitte, nehmen Sie doch Platz. Einen Moment noch, ich bin gleich für Sie da.«
Wir setzen uns auf die beiden Lederstühle vor Schuberts Schreibtisch, er widmet sich wieder seiner Akte. Länger, als nötig wäre, um uns spüren zu lassen, wie unwichtig er uns findet. Dann macht er sich eine Notiz, klappt den Ordner zu, sieht uns an und lächelt gewohnt kalt.
»Sie haben sicher Neuigkeiten, wenn Sie sich die Mühe machen, mir einen Besuch abzustatten.«
»Bingo«, sage ich.
Mein italienischer Kollege sitzt erstarrt neben mir, ich schätze, ihm ist das Blut in den Adern gefroren, und damit hat sein Blut verdammt recht.
Ich erzähle Schubert von unseren Zeugen und den beiden Autos, von unserem Besuch bei Henning Sackmann, davon, dass Sackmann bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten, dafür aber eine Gegenleistung will.
»Woher wissen wir«, sagt er, »dass dieser … wie heißt er?«
»Sackmann«, sage ich.
»Ach ja, dass also dieser Sackmann illegal zockt?«
»Das wurde dem Kollegen Tschauner aus dem Milieu zugetragen«, sage ich. »Und offensichtlich stimmt es.«
Oberstaatsanwalt Schubert nickt in Zeitlupe. Er sieht aus dem Fenster. Denkt nach. Denkt eine ganze Weile nach. Dann sagt er:
»In Ordnung. Sein Glücksspiel interessiert uns nicht. Für alles andere kann ich nicht garantieren, aber das müssen Sie ihm ja nicht sagen. Er soll seinen Anwalt anrufen und morgen früh um neun im Präsidium antanzen.«
»Warum erst morgen?« Der Calabretta ist aus seiner Schutzstarre erwacht. Und wird auch gleich aufsässig. »Ich hätte ihn lieber jetzt als gleich bei mir auf dem Stuhl.«
»Ich will dabei sein«, sagt Oberstaatsanwalt Schubert. Seine Stimme klingt wie ein Messer. »Und ich habe heute keine Zeit.«
Er schlägt die nächste Akte auf und sagt, ohne uns anzusehen:
»Sonst noch was?«
* * *
Der Calabretta und ich sitzen nebeneinander auf meinem Schreibtisch als ich Henning Sackmann anrufe. Wir schauen auf die nassen Fensterscheiben, ich habe das Telefon auf laut gestellt, der Calabretta hört mit.
»Sackmann.«
»Riley hier, Staatsanwaltschaft Hamburg.«
»Guten Tag, Frau Riley.«
»Wir erwarten Sie morgen früh um neun Uhr im Polizeipräsidium, Herr Sackmann.«
Er sagt nichts.
»Und wir haben beschlossen, Sie ansonsten dann auch nicht mehr zu behelligen«, sage ich. »Die Sache bleibt unter uns.«
»Wer weiß noch davon?«, fragt er.
»Niemand«, sage ich, auch wenn das nicht ganz stimmt. Aber solche Typen wie Oberstaatsanwalt Schubert lasse ich liebend gerne erst mal unter den Tisch fallen, wenn ich kann.
»In Ordnung«, sagt er, und er klingt mir viel zu erleichtert dafür, dass es nur um Glücksspiel gehen soll.
Der Calabretta kuckt mich an und legt die Stirn in Falten. Ich nicke.
»Dann sehen wir uns morgen früh um neun«, sagt Sackmann.
»Bringen Sie Ihren Anwalt mit?«, frage ich.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
»Also, ich an Ihrer Stelle …«, sage ich, aber Sackmann hat schon aufgelegt.
Ich gehe zum Fenster, mache es weit auf und zünde mir eine Zigarette an. Der Regen ist heute wärmer als gestern. Eigentlich ganz schön.
»Irgendwie kommt mir der Typ echt merkwürdig vor«, sage ich.
»Er hat einen verdammten Luchs als Mitbewohner«, sagt der Calabretta und rutscht von meinem Schreibtisch. »Was erwarten Sie?«
Ich erwarte grundsätzlich gar nichts mehr, aber das gehört jetzt nicht hierher.
* * *
Der Nachmittag
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