Bullet Catcher 1: Alex
starb noch auf dem Operationstisch.«
»Wie schrecklich für Ihre Eltern! Wie sind sie damit umgegangen?«
Er legte sein Sandwich hin und sah sie an, dachte an die heruntergekommenen Gänge im Hialeah-Krankenhaus, an dem sie heute vorbeigefahren waren. »Mein Vater hat es nie erfahren. Er war zu der Zeit gerade auf Kuba und ist nie zurückgekehrt.«
Sie riss die Augen auf. »Warum?«
»Er war in seinen Heimatort San Tomás. Wollte seinen Bruder Roberto samt Familie in die Vereinigten Staaten schmuggeln.«
Jazz wartete, ihr mitfühlender Blick sagte ihm, dass sie das Ende seiner Geschichte schon erraten hatte.
»Er wurde bei dem Versuch getötet. Zumindest musste er den Schmerz nicht mehr ertragen, Vivi verloren zu haben.«
Und den Schmerz, dass sein Sohn das einfache Versprechen nicht halten konnte, auf die Frauen der Familie aufzupassen. Alex atmete tief ein, roch die wohlbekannten Düfte nach Cumin und Kaffee.
»Es tut mir so leid«, sagte sie, ihr Blick war genauso weich wie ihre Stimme. »Sind Roberto und seine Familie denn jemals hierhergekommen?«
Alex schüttelte den Kopf. »Das war in den frühen Achtzigern, kurz nach der Mariel-Krise, als Castro über hunderttausend Flüchtlinge nach Miami abschob. Seitdem war – und ist – es schwierig, wenn nicht unmöglich, dort rauszukommen.
»Sind Sie jemals dort gewesen, auf Kuba?«
»Nicht ein einziges Mal in meinen sechsunddreißig Jahren.« Ein Besuch würde sicherlich Lucys bei der CIA geschulte Toleranz auf eine harte Probe stellen. »Aber ich habe immer noch die Hoffnung, dass meine Cousins und Cousinen und alle anderen Verwandten eines Tages einen Weg finden herauszukommen.« Solange das noch nicht der Fall war, würde er seine Zuwendungen für die Familienmitglieder auf Kuba jedes Jahr um mehrere Tausend Dollar erhöhen.
»Wie alt waren Sie, als Ihr Vater starb?«, fragte Jazz. »Ungefähr zwölf?«
Er nickte. »Und ich hatte vier jüngere Schwestern, die alle zu hübschen und ungebärdigen Teenagern heranwuchsen. War nicht leicht für mich, auf sie aufzupassen, das kann ich Ihnen sagen.«
»Was ist mit Ihrer Mutter?« Jazz sah ihn fast ängstlich an, als fürchte sie, er würde ihr erzählen, sie sei an gebrochenem Herzen gestorben. »Konnte sie sich nicht um sie kümmern?«
Er spürte den Anflug eines Lächelns auf den Lippen. » Querida, in der Latino-Kultur hat der Mann die Verantwortung. Ganz egal, wie alt er ist.« Er ignorierte ihre hochgezogenen Augenbrauen. »Natürlich hat sich meine Mutter um uns gekümmert, uns mit Nahrung und Kleidung versorgt, aber bei den Kubanern herrscht das Patriarchat.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Letztlich treffen bei uns die Männer die Entscheidungen.«
Sie stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch auf und starrte ihn an. »Glauben Sie wirklich, Sie könnten noch immer so leben? Um Himmels willen, wir befinden uns immerhin im 21. Jahrhundert.«
Er zuckte die Achseln. »Ich kenne durchaus die gesellschaftliche Wirklichkeit und bezweifle stark, dass jemand von außen dieses Verhalten verstehen könnte. Aber ich habe mich schließlich nicht nach dieser Aufgabe gedrängt. Mein Vater ist gestorben, und meine Schwestern haben bei mir Schutz gesucht.«
»Und wie sind Sie damit umgegangen?«
»Sie durften sich erst verabreden, nachdem ich auf dem College war.«
Sie lächelte über seine trockene Bemerkung, und er sagte ihr nicht, dass es nur die halbe Wahrheit war. »Sind Sie deshalb Bodyguard geworden? Ein passionierter Beschützer?«
Wahrscheinlich würde er zu demselben Schluss kommen, wenn er lange genug darüber nachdachte. »Vielleicht«, stimmte er zu. »Mein Lebensweg hat mich hierhergeführt.«
»Wo sind Sie zur Schule gegangen?«, fragte sie und nippte an ihrem Espresso.
»Notre Dame mit einem Militär-Stipendium. Dann war ich sechs Jahre lang in der Armee. Als Jäger.«
»Der perfekte Job für ein Alphatier.« Sie sah ihn über den Rand ihrer Kaffeetasse an.
Sie hatten genug über ihn geredet. »Erzählen Sie mir von Parrish.«
»Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen.« Sie hob verächtlich eine Schulter. »Er zitiert tote Philosophen und wählt die Republikaner. Im Moment hat er gerade alle Hände voll zu tun mit Protesten in Cincinnati.«
Noch vor einer Stunde hatte seine Hand auf ihrem Oberschenkel gelegen. »Sie haben ihn geküsst.«
Sie sah von ihrem Teller auf, ein spöttisches Glitzern in den Augen. »Er hat mich geküsst. Das ist ein großer Unterschied.«
Neid war
Weitere Kostenlose Bücher