Bullet Catcher 1: Alex
schaltete den Fernseher aus, das einzige Licht war nun der sanfte goldene Schimmer der Spiegelungen in der Biscayne Bay. »Aber darüber müssen wir uns keine grauen Haare wachsen lassen. Du machst einfach weiter und spielst deine Schwester, die uns alles erklären wird, sobald sie wieder auftaucht.«
Jazz sah ihn ungläubig an. »Wie soll ich das denn verstehen? Du willst nicht nach dieser Frau suchen? Vielleicht weiß sie, wo Jessica ist.«
»Jessica arbeitete an einer Story«, sagte er ruhig und griff nach einer Wasserflasche auf dem Tisch. Er nahm einen großen Schluck und legte dann den Kopf in den Nacken, pechschwarzes Haar auf glänzend weißer Baumwolle. »Wir werden einfach auf ihre Rückkehr warten.«
»Den Teufel werden wir.« Sie richtete sich auf und wurde plötzlich gewahr, dass sie im Dunkeln vor seinem Schoß kniete, keinen halben Meter von ihm entfernt. Die äußerst lebendige Erinnerung seines Steifen an ihrer Fußsohle warf sie fast um. »Ich werde diese Desirée finden und mit ihr reden, auch ohne deine Hilfe.«
»Und wie willst du das anstellen, Jazz? Willst du mich noch einmal mit deinen Verführungskünsten blenden?«
Man hörte nur das Summen der Klimaanlage. Er sah sie mit halb geschlossenen Augen an, die langen Wimpern lagen wie dunkle Halbkreise unter den Augen. »Was genau hast du eigentlich vorgehabt, Jazz? Wolltest du mich ficken, bis ich das Bewusstsein verliere?«
Die vulgäre Wortwahl traf sie tief. »Ich dachte … du würdest vielleicht nach oben gehen, um ein Kondom zu holen. Und dann hätte ich … verschwinden können.«
Er schüttelte lachend den Kopf. »Hast du im Ernst angenommen, ich würde einen solchen Fehler begehen?« Er nahm die Hand hoch, als wollte er sich selbst verbessern. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich ein wenig aus dem Tritt gekommen bin, seitdem du die Schwelle dieser Wohnung übertreten hast.«
Gott bewahre, dass Sie ihn je so richtig »im Tritt« erleben würde. »Stimmt schon, es war ein schlechter Plan.«
»Schlecht? Ganz und gar nicht. Mir hat’s gefallen.« Er lächelte gezwungen. »Aber das hast du ja gemerkt.«
»Ich musste allein weg.« Es hörte sich genauso erbärmlich an, wie sie sich fühlte.
»Kreative Technik, das muss ich dir lassen. Und ziemlich gewagt.«
»Warum?«
»Ich hätte die Sache mit dem Kondom auch über Bord werfen können«, sagte er. »Hätte dich einfach so vögeln können.«
Sie wussten beide, dass es eher andersherum gewesen war. »Aber das hätte gegen deine Berufsehre verstoßen.«
Langsam beugte er sich vor. Wortlos legte er die Hände in ihren Nacken und zog sie so nah an sich heran, dass sie seinen warmen Atem spürte und ihr das Herz bis zum Hals schlug. »Alles an diesem Auftrag verstößt gegen meine Berufsehre.« Er bemühte sich nicht einmal, seine Abscheu zu verbergen.
Er drehte ihren Kopf zur Seite und presste seine Lippen an ihr Ohr. »Ich habe noch nie einen Machtkampf verloren, querida.« Seine raue Stimme ließ jede Zelle in ihr erschaudern. »Du kannst sicher sein, ich werde auch diesen gewinnen.«
Dann ließ er sie los, nahm die Wasserflasche und ging in sein Zimmer. Und schlug die Tür zu.
Jazz blieb auf dem Boden sitzen und starrte auf den leeren Sessel. Statt Empörung oder einem gesunden Widerwillen gegen diese Machotour und die kalte Abfuhr spürte sie nur Schmerz. Rein körperlich. Und an höchst intimen Stellen.
Doch er würde diesen Schmerz bestimmt nicht lindern. Das konnte sie sich abschminken, oder sie hätte gleich die weiße Flagge in diesem Machtkampf hissen können.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als herauszufinden, wo Jessica steckte. Morgen würde sie die Spur der Pornodarstellerin aufnehmen.
Heute Nacht würde sie ihre Wunden lecken und ihr Zielobjekt genau studieren. Sie setzte sich in den Sessel, der noch warm von seinem Körper war. Nahm die Fernbedienung und war bereit, sich anzuschauen, wie Desirée Royalle alles das tat, was sie selbst gerne mit Alex getan hätte.
Doch ein ihr bislang unbekanntes Gefühl von Verzweiflung erfasste sie. Jazz ließ die Fernbedienung fallen und drückte sich vom Sessel hoch, Augen und Kehle brannten. Warum bloß?
Sie schüttelte sich und sah auf die geschlossene Tür. Wahrscheinlich lag es am kubanischen Kaffee – oder eben doch an dem kubanischen Macho.
9
Mit einem Schlag erlangte Jessica das Bewusstsein. Eben noch hatte sie so tief geschlafen wie noch nie zuvor, und im nächsten Augenblick war sie hellwach. Sie öffnete
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