Bullet Catcher 1: Alex
würde ihr helfen. Sie hatte es versprochen.
Obwohl ihr Magen fürchterlich wehtat, zwang sich Jessica aufzustehen. Sie musste ihre Kleider finden. Ein Telefon. Antworten.
Die Entschlossenheit tat ihr gut, ebenso gut wie das Wissen, wer sie war. Sie musste etwas tun – niemand konnte Jessica Adams aufhalten, wenn sie etwas wollte. Stolpernd ging sie zur Tür und legte die Hand auf den Knauf, aber er ließ sich nicht drehen. Sie schleppte sich zum Fenster, schob die Jalousie hoch und zog am Metallgriff. Ebenfalls abgeschlossen.
Da draußen lag der lange, einsame Strand. Sie schlug mit der Faust schwach auf das Fensterglas und wimmerte leise.
Panik stieg in ihr auf, aber sie kämpfte dagegen an. Ließ sich auf die Knie fallen und öffnete den Nachttisch. Der schönste Anblick ihres Lebens erwartete sie: eine Handtasche aus pinkfarbenem Leder. Deutlich hatte sie das Bild vor Augen, wie sie die Chaneltasche bei Bloomingdale gekauft hatte – wie leichtsinnig sie sich dabei vorgekommen war.
Sie griff nach der Tasche wie eine Verhungernde nach Essbarem. Dort drin war ihr Handy. Sie konnte die Polizei anrufen. Oder Jazz. Oder … auf der Arbeit. Genau, sie würde Ollie anrufen. Ollie war immer für sie da.
Doch der Blick in das Seidenfutter der Tasche versetzte ihr einen herben Schlag. Sie wühlte darin herum, warf den Kosmetikbeutel, die Plastikbox mit den Tampons, einen Kamm und den Spiegel heraus. Wo war die Geldbörse?
Wo war das Handy?
Zitternd rollte sie sich auf dem Boden zusammen und tat das Einzige, wozu ihr müder und schmerzender Körper noch fähig war.
Sie weinte.
Bis eine sanfte Berührung an der Schulter sie auffahren ließ. Das Schluchzen blieb in ihrer Kehle stecken, sie schnappte nach Luft, etwas Metallenes glitzerte im Mondlicht.
»Es ist noch zu früh, Jessie.« Diese Stimme. Sie hatte vorher nie bemerkt, wie … bedrohlich sie klang.
Jessica versuchte auszuweichen, aber ein Stich in ihren Oberschenkel hielt sie auf. Sie sah, wie die Nadel sich in den hässlichen blauen Fleck schob. Einen Augenblick lang war ihr alles klar.
Dann fiel ihr Jazz ein. Um Gottes willen. Spielte sie gerade ihre Rolle? Wenn er es nun herausfand … wenn er wusste, wer sie war…
Und wieder wurde es dunkel, und die Welt versank in Stille.
Alex roch den amerikanischen Kaffee schon an der Tür von 3701. Nach einem Zehn-Kilometer-Lauf am Strand war eine Tasse Chock Full O’Nuts das Letzte, was er wollte, aber er hatte nicht gewagt, kurz für einen Colada und Pastellitos einzukehren, denn er wollte fertig geduscht und angezogen sein, wenn Jazz aufstand. Bei ihr musste man auf alles gefasst sein.
Und da war sie auch schon, saß angezogen um sieben Uhr morgens am Küchentresen vor ihrem aufgeklappten Laptop, neben sich auf dem Tisch ein aufgeschlagenes Telefonbuch. Der fade Kaffeeduft kam aus einer Krups-Kaffeemaschine.
Wenn sie nicht vollkommen ungeschminkt gewesen wäre und das enge T-Shirt getragen hätte, in dem sie am ersten Tag aufgetaucht war, hätte er geglaubt, Jessica sei auf mysteriöse Weise wieder erschienen.
»Du solltest die Kette vorlegen, wenn ich weg bin«, sagte er beim Eintreten.
Sie sah nicht auf, ihre Finger bewegten sich flink auf der Tastatur. »Ich habe nicht in dein Bett gesehen. Dachte, du würdest noch schlafen.«
»Und ich dachte, ich könnte noch laufen und Frühstück holen, bevor du dich überhaupt rührst.«
»Falsch gedacht.«
»Was hast du dir vorgenommen?« Er stellte sich hinter sie, roch das Zitronenshampoo und sah das Logo einer Datenbank auf dem Bildschirm. »Das Telefonbuch von Yellowstone?«
Sie klappte den Bildschirm herunter und drehte sich auf dem Barhocker um; ihre Augen und ihr Mund befanden sich auf gleicher Höhe wie sein bloßer Oberkörper. Sie war ihm so nah, dass er einzelne Wimpern unterscheiden konnte und jede Pore der elfenbeinfarbenen Haut ihres frisch gewaschenen Gesichts. Als Jazz war sie viel hübscher als in ihrer Rolle als Jessica. Das professionelle Make-up für die Kamera war bei ihr unnötig – sie strahlte eine Sinnlichkeit aus, die weit attraktiver war als die glitzernde Fernsehästhetik.
Er schob diese Gedanken weg. Ihn würde kein dreistes Weib mit einem drallen Körper zur Strecke bringen. Er würde nicht alles nur aus Lust und Laune aufs Spiel setzen. Er bestimmte selbst, wie die Dinge liefen, hatte einen Auftrag zu erledigen und trug Verantwortung – nicht nur für einen, sondern für viele.
Sie sah auf, nachdem sie seinen Brustkorb
Weitere Kostenlose Bücher