Bullet Catcher 1: Alex
sich. Jessica legte die Hände vor das Gesicht, um sich nur auf das Zuhören zu konzentrieren, suchte verzweifelt nach einem Bild im Kopf … oder nach einem Namen.
»Ich muss mich mit jemandem treffen«, sagte der Mann. »Schick sie noch ein wenig schlafen. Kriegst du das hin?«
Lieber Gott, nein! Kein Schlaf mehr. Nie mehr traumlos und voller Ängste dahintreiben. Beim Erwachen fühlte sie sich jedes Mal so vollkommen verloren.
»Ich will nicht die ganze gottverdammte Woche hier rumhängen«, sagte die Frau. »Will nur den Job machen, mein Geld kriegen und dann verschwinden, Scheiße noch mal!«
»Schick sie schlafen«, sagte der Mann. Seine Stimme war leise, fordernd und kam ihr so frustrierend bekannt vor. »Hiermit.«
In Jessicas Kopf blitzte das Bild einer Nadel auf, instinktiv sah sie auf den blauen Fleck auf ihrem Oberschenkel, der inzwischen eine gelblich-braune Färbung angenommen hatte. Sie konnte die Übelkeit nicht mehr unterdrücken und erbrach sich in die Toilette, ihre Knie gaben nach, sie sank zu Boden. Wieder und wieder würgte sie, verlor vollkommen das Gefühl für Zeit und Raum.
Dann öffnete sich die Tür.
Im Spiegel sah sie das Gesicht der Frau. Es erinnerte sie an etwas, aber sie bekam es nicht zu fassen.
»Bitte!«, krächzte sie und wischte sich die Spucke vom Kinn. »Ich mache alles, was sie wollen. Ich kann Ihnen mehr zahlen als er. Ich kann alles für Sie tun. Bitte!« Sie schluchzte, und Tränen rannen über ihre Wangen. »Bitte …«
Die Frau schüttelte langsam und zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht recht, Jess. Das haben Sie mir schon einmal versprochen.«
Hatte sie das? Jessica sah sich die Frau genau an, suchte krampfhaft nach der verschütteten Erinnerung. »Wer sind Sie?«
»Man nennt mich Desirée.«
Des – »Denise!« Fast hätte sie den Namen laut herausgeschrien, als sich der Nebel endlich verzog. »Ich erinnere mich!«
Denise lachte. »Wird aber auch Zeit, Schnuckelchen.«
Jetzt fiel Jessica noch etwas anderes ein. Es gab etwas, das Denise sich mehr als alles andere wünschte.
»Wenn Sie mir helfen«, flüsterte Jessica, »werde ich Sie zu Ihrem Sohn bringen.«
Jegliche Härte schwand aus Denise’ Gesicht. »Das können Sie nicht«, sagte sie leise und ging in die Hocke. »Oder etwa doch?«
»Ich kann.« Jessica sah zur offenen Tür. Hörte ihnen jemand zu? »Und ich verspreche Ihnen, Denise, ich werde es tun. Nur, bitte, betäuben Sie mich nicht wieder.«
»Wie wollen Sie das anstellen?«
Jessica hatte keine blasse Ahnung. »Vertrauen Sie mir! Wenn Sie mir helfen, hole ich ihn zurück. Heute, morgen. Jetzt gleich.«
Denise griff hinter sich und zog die Tür zu. Dann flüsterte sie: »Wenn er das rauskriegt, bringt er uns beide um.«
In diesem Augenblick fiel Jessica mit Übelkeit erregender Klarheit ein, wer er war. Ein Mann, dem sie vertraut hatte. An den sie geglaubt hatte. Und der ganz sicher fähig war, einen Mord zu begehen.
»Dann darf er es eben nicht rauskriegen.«
Die Geländelimousine rumpelte über den verlassenen Rickenbacker Causeway, und Alex warf einen verstohlenen Seitenblick auf seine Beifahrerin. Sie trug wieder die Army-Hose, ein Tanktop und die Stiefel, die sie schon den ganzen Tag angehabt hatte. Jazz-Klamotten. Sie sah gut darin aus. Noch besser allerdings ohne sie.
Die sexuelle Befriedigung machte seinen Körper ganz schwer, doch die Erleichterung würde nicht lange anhalten, das wusste er. Er hatte noch nicht einmal annähernd genug von ihr.
Das Ganze ging ihm viel zu sehr unter die Haut. Genau das Gegenteil hatte er erhofft, als er dem brennenden Bedürfnis nachgegeben hatte, in sie einzudringen.
Er hatte getan, was er wollte, sagte er sich. Hatte Lucy betrogen, seine Lust gestillt und die Anziehungskraft zwischen Jazz und sich auf ihre elementare Grundlage reduziert: reine körperliche Gier nach Befriedigung.
Gleichzeitig hatte er aber auch bewiesen, dass im Gegensatz zu dem, was Lucy glaubte, Sex keineswegs die Konzentration auf seine Aufgabe behinderte, Reaktionen verzögerte oder seine Fähigkeit klar zu denken beeinträchtigte.
Oder machte er sich nur etwas vor? Immerhin war er gerade auf dem Weg zu einer nächtlichen Unterredung mit einem Typen, den er vom ersten Tag an als abgedreht eingestuft hatte, zusammen mit seiner Klientin – noch dazu mit einer Kanone –, und dachte an nichts anderes, als nach Hause zurückzukehren und sich die Kleider vom Leib zu reißen.
Carajo! Lucy hatte doch recht gehabt.
»Und
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