Bullet Catcher 3: Johnny
Schluck Wasser und musste plötzlich an ihren Vater denken, der irgendwo in den finsteren Tiefen seines eigenen Verstandes gefangen war, der sie »Lydia « nannte, wenn sie ihn in seinem Haus in Vermont besuchte, und der fest daran glaubte, im Jahr 1990 zu leben. »Und Sie sind der Typ Mann, den ich gern zum Vater hätte .«
Er runzelte die Stirn. »Haben Sie kein Verhältnis zu Ihrem Vater ?«
»Er ist krank. Und meine Mutter starb, als ich ein Teenager war .«
»Woran ist Ihr Vater denn erkrankt ?«
»Alzheimer .«
Seine Miene sank. »Oh, das tut mir leid .« Er sah sie nachdenklich an. »Sind Sie ihm sehr ähnlich, Sage ?«
Sie hob eine Schulter. »In manchen Dingen .« Sie musste das Gespräch auf ihr ursprüngliches Ziel lenken. »Ich muss Sie etwas fragen, Dr. Garron. Es könnte etwas unangenehm werden .«
»Eine medizinische Frage ?«
»Gewissermaßen. Ich brauche ein paar Informationen, und ich bin nicht sicher, ob es in Ordnung ist, Sie darum zu bitten .«
Er legte den Kopf schief. »Versuchen Sie’s .«
»Erinnern Sie sich an meine Mitbewohnerin, Keisha Kingston ?«
Er nickte mitfühlend. »Ich habe sie nie kennengelernt, wie Sie wissen. Wie lautet nun Ihre Frage ?«
Sie trank einen Schluck Wasser. Was konnte schlimmstenfalls passieren? Dass er beleidigt wäre, weil sie gefragt hatte und er nichts tun konnte. »Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass Sie dank Ihrer Verbindungen herausfinden, ob Keisha kurz vor ihrem Tod abgetrieben hat oder nicht ?«
Er antwortete, ohne mit der Wimper zu zucken. »Schon möglich .«
Während der Kellner die Salate servierte, schwieg Sage. Als Dr. Garron seine Gabel aufnahm, sagte sie: »Und ?«
Er spießte ein Stückchen Blauschimmelkäse auf, legte dann langsam seine Gabel hin und tupfte sich die Mundwinkel mit der meerblauen Serviette ab. »Waren Sie schon mal schwanger, Sage ?«
»Fragen Sie, ob ich Keishas Situation nachempfinden kann? Ich verurteile sie nicht für die Abtreibung, ich möchte nur herausfinden – «
Er schnitt ihr mit erhobener Hand das Wort ab. »Ich frage nur, ob Sie schon einmal schwanger waren .«
»Nein .«
Er nickte bedächtig. »Haben Sie je versucht, es zu werden ?«
»Ähm, nein. Ich hatte noch nie eine Beziehung, die fest genug dafür gewesen wäre .«
»Sie brauchen keine feste Beziehung. Sie sind jung .«
Worauf wollte er hinaus? »Ich möchte heiraten, bevor ich Kinder bekomme .«
»Das ist normal. Aber wie alt sind Sie? Sechsundzwanzig ?«
»Siebenundzwanzig .« Sie hätte sich auf ihrem Stuhl winden können. Er war nicht ihr Vater. Er war nicht ihr Arzt. Was sollte das? »Können Sie mir mit Keisha weiterhelfen, Dr. Garron ?«
»Aber Sage, was würde diese Information ändern? Ob Keisha nun eine Abtreibung hatte oder nicht – würde sie das zurückbringen ?« Er sprach leise, und seine grauen Augen waren wieder sanft.
»Natürlich nicht. Aber ich muss wissen, warum sie starb .«
»Sie starb entweder aus Angst oder aus Naivität, wahrscheinlich aus einer Kombination von beidem .« Er griff erneut nach ihrer Hand. »Müssen Sie das wissen ?«
Sage sah aus dem Fenster. »Ich bin mir auf einmal nicht mehr so sicher « , antwortete sie leise. Ihr Blick wanderte zu dem Mann in der Lederjacke, der an der überfüllten Straßenecke gegenüber stand. »Das war aber ein schnelles Vorstellungsgespräch .«
»Oder Ihr Freund ist ein Lügner .«
Sie blinzelte überrascht. »Wie kommen Sie darauf ?«
Er seufzte, als wollte er eigentlich nichts weiter sagen. »Niemand mit Namen John Christiano war jemals am Culinary Institute eingeschrieben .«
Ich habe am Culinary Institute von Nonna Cardinale gelernt .
»Ich weiß « , gab sie zu und war nicht überrascht, dass er Johnnys Hintergrund überprüft hatte. Wie viel wusste er über die berufliche Tätigkeit ihres »Freundes « ? Er war ebenso gründlich wie intelligent. »Aber er ist ein sehr guter Koch .«
»Außerdem hat er nirgendwo in Boston eine Adresse. Wussten Sie das ?«
Nein. Aber woher wusste er das? »Er ist erst kürzlich von New York hierher gezogen .«
»Er hat auch im Staate New York keine Adresse .« Er hob die Gabel an den Mund und fügte hinzu: »Und auch sonst nirgends in den Vereinigten Staaten .«
Verärgerung wallte in ihr auf. »Wozu diese Überprüfung? Weil Sie ihn für ein Vorstellungsgespräch empfohlen haben ?«
»Ich tue, was jeder Vater tun würde .« Sein Tonfall wurde sanfter. »Zumal es so aussieht, als hätten Sie niemanden mehr, der
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