Bullet Catcher - St. Claire, R: Bullet Catcher
klingelte Adriens Handy, und jedes Mal entschuldigte er sich, um dranzugehen. Im Wohnzimmer hörte sie ihn dann leise mit Nico reden. Sie wusste, dass er ihr Zeit geben wollte.
Als er zum dritten Mal nach draußen ging, zupfte Miranda eine Papierserviette aus dem Halter, der auf dem Tisch stand, und begann, sie in saubere Quadrate zu falten. Sie öffnete den Mund, um anzusetzen, doch ihre Mutter unterbrach sie.
»Wie hast du diesen Mann noch mal kennengelernt?« Dee Lang stand an der Spüle und trocknete Gläser ab. Sie war blond, leicht übergewichtig, hatte runde Augen in einem ebenso runden Gesicht, und sah Miranda nicht im Mindesten ähnlich. Ihr Vater saß ihr gegenüber am Tisch und rührte in seinem Tee, klein, mit dunkelbraunen Augen und schütterem blonden Haar, das mit ihrem nichts gemein hatte.
Wenn sie jetzt mit ihrem monumentalen Vorwurf ankam, würde sie diesen kurzen Frieden des Alltags und vielleicht viel mehr zerstören, doch sie hatte keine Wahl. Auch wenn sie nur ihren Namen auf einer Liste entdeckt hatte … sie wusste Bescheid. Sie wusste es einfach.
Und weil sie es jetzt wusste, empfand sie ein zunehmend brennendes Verlangen, mehr zu erfahren.
»Sie hat doch gesagt, dass sie ihn bei einer ihrer Leseveranstaltungen kennengelernt hat, Dee«, sagte ihr Vater, wie immer bereit, sofort in die Bresche zu springen oder die Stimme der Vernunft ertönen zu lassen.
»Das stimmt«, bestätigte Miranda gedehnt. Sie hatte sich un zählige mögliche Antworten auf die zu erwartenden Fragen über Adrien überlegt, von der Wahrheit, nämlich dass sie eine Affäre miteinander hatten, bis hin zu einer elternverträglichen Version davon.
Doch sie wollte nicht mehr lügen oder die Wahrheit verdrehen. Sie wollte keine Minute länger warten, um zu sagen, was gesagt werden musste. Sie holte tief Luft, knüllte die Serviette zu einem Ball zusammen und sah ihren Vater an.
»Er sucht nach Kindern, die illegal adoptiert worden sind.«
Ein Löffel fiel scheppernd in die Spüle, und das Echo hallte durch den Raum. Dee schnellte herum, mit offenem Mund, und ihre Sprachlosigkeit sagte alles.
Es war also wahr. Miranda war ein Adoptivkind, und sie hatten es ihr verschwiegen. Ihr Vater griff über den Tisch und schloss seine Hand um Mirandas. Langsam, mit zunehmend wild klopfendem Herzen, blickte Miranda von einem zum anderen.
»Miranda«, sagte ihr Vater leise, »das wird nichts ändern.«
Ganz die Vernunft, wie immer.
»Ich weiß, Daddy.« Sie drückte ihm die Hand und wandte sich ihrer Mutter zu. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
Tränen strömten Dee über das Gesicht, und sie verkrampfte am ganzen Körper, ehe das Schluchzen aus ihr herausbrach. »Ich konnte nicht. Ich wusste nicht wie. Es tut mir so leid, Liebes … ich hätte … « Sie zerfloss förmlich in Tränen, und Miranda stand reflexartig auf, um sie in den Arm zu nehmen.
»Bitte vergib mir«, sagte ihre Mutter und ließ die Arme kraftlos herabhängen, als wäre es irgendwie falsch, ihre Tochter zu umarmen. »Ich wusste einfach nie, wie ich es sagen sollte. Und ich hatte solche Angst, du würdest … weggehen.«
Wieder die Angst, die Panik. Wieder wurde das Schlimmste angenommen. »Aber Mom, wohin hätte ich denn gehen sollen?«
»Zu … deiner Familie.«
» Ihr seid meine Familie.«
Ihr Vater war aufgestanden und legte unbeholfen die Arme um sie beide. »Wir haben uns nichts vorzuwerfen, außer vielleicht, dass wir dich zu sehr wollten, Miranda, und die Wahrheit … du hättest das als Kind nicht verstanden.«
»Aber ich bin schon lange kein Kind mehr. Und ich liebe euch so sehr, dass ich alles verstanden hätte. Das müsst ihr doch wissen.«
Sie tauschten rasch einen eigenartigen Blick, der Mirandas Herz kurz aussetzen ließ.
»Das wissen wir«, gab ihre Mutter zu. »Ich hatte nur immer solche Angst, dass – «
»Stopp.« Miranda hielt die Hand hoch. »Hör auf, Angst zu haben. Ich habe keine mehr, und ich war noch nie in meinem Leben so frei und so glücklich. Dieser Mann da draußen« – sie nickte in Richtung Flur – »hat mir beigebracht, wie man Ängste überwindet. Ich denke, du solltest das auch lernen, Mom.« Sie blickte von einem zum anderen. »Ich weiß, ihr hattet Angst, mich zu verlieren, aber das ist Schwachsinn. Wir lieben einander, ihr seid meine Eltern, meine Familie, basta.«
Dee nickte unter Tränen. »Vergibst du mir?«
»Dass du mich liebst und die Wahrheit vor mir verborgen hast? Da gibt es nichts zu
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