Bullet Catcher - St. Claire, R: Bullet Catcher
so deutlich war, dass sie förmlich aus dem Foto herausstrahlte.
Sie sprach aus den fest zusammengepressten Kiefern, aus den gestrafften Schultern, aus dem glühenden Blick auf die Fotografen. Nach dem, was Jack von Eileens Verfahren erzählt hatte, dass ihr Fall extrem schlampig abgewickelt worden war, dass der Richter die Staatsanwaltschaft in ungebührlichem Maße frei schalten und walten ließ und dass die Verteidigung nicht der Rede wert war – nun, da war das Letzte, was sie erwartete, innere Kraft .
Und doch schien Eileen Stafford unglaublich viel davon zu besitzen … Immerhin die Wangenknochen erinnerten Miranda an ihre eigenen.
Jack hielt neben einem schwer bewaffneten Wärter, der von allen die Ausweispapiere sehen wollte.
»Lasst eure Brieftaschen gleich draußen«, sagte Jack, nachdem sie das äußerste Tor überwunden hatten. »Gründlichkeit ist in Camp Camille oberstes Gebot.«
Und das war kein Scherz. Als sie schließlich vor dem zweistöckigen, fensterlosen Gebäude, der medizinischen Abteilung der Anstalt, angelangt waren, hatte Miranda so viele entwürdigende Dinge erlebt, dass sie gar nicht mehr recht wusste, warum sie überhaupt hier waren. Wie oft war sie abgetastet worden? Wie viele Male hatte jemand ihre Fingerkuppen in Tinte gedrückt? Doch als sie dann, eskortiert von mehreren Beamten, auf Jack und Adrien zu schritt, zitterten ihr aus lauter Nervosität und Vorfreude die Beine. Sie würde endlich ihre leibliche Mutter kennenlernen.
Im Innern saß eine Krankenschwester hinter einem Schalter und begrüßte Jack mit einem freundlichen Lächeln wie einen alten Bekannten. Im Flur kam ihnen eine zweite Schwester entgegen, eine lebhafte Schwarze mit einem Klemmbrett, die Jack ebenfalls anstrahlte, als würde sie ihn schon lange kennen.
»Wie geht’s ihr, Risa?«, fragte er.
Die schwarze Frau schüttelte den Kopf, und ihr Lächeln ver schwand. »Ihre Werte sind normal, Mr Culver, aber sie reagiert auf nichts mehr. Seit Sie zuletzt hier waren, hat sie ohne Unterbrechung geschlafen.« Sie blickte Adrien und Miranda an. »Sie können reingehen, aber rechnen Sie nicht mit einer Re aktion.«
Jack dankte ihr, und sie marschierten den Flur entlang los, doch Risa war noch nicht fertig.
»Dem Mann, der gestern da war, habe ich das Gleiche gesagt«, fuhr sie fort. »Er saß so lange herum, bis wir einen Wärter rufen mussten, um ihn hinauszuführen.«
»Sie hatte einen Besucher?«, fragte Jack ungläubig. »Wer war das?«
Risa ruderte zurück. »Ich darf Ihnen das nicht sagen, Mr Culver. Ich hätte gar nichts sagen dürfen.« Er sah sie abwartend an, doch sie verzog das Gesicht zu einer ablehnenden Grimasse. »Versuchen Sie bitte nicht, es aus mir herauszukitzeln. Ich riskiere meinen Job.«
»Seltsam«, sagte er zu Miranda und bugsierte sie weiter. »Eileen hatte seit Jahren keine Besuche mehr. Wenn sie überhaupt je welche hatte.«
Am Ende des Flurs stand eine Tür offen.
Miranda schob ihre Hand in Adriens und sah dabei Jack an. »Ist das ihr Zimmer?«
Jack nickte. »Ja.«
Miranda machte einen verhaltenen Schritt durch die Tür und dann noch einen. Ihr Blick fiel zunächst auf ein leeres Bett. Dann entdeckte sie ein paar Meter weiter eine Frau mit kahlem Kopf in einem blauweißen Krankenhauskittel, die Arme an leise piepsende Monitore angeschlossen, einen Inhalator im Gesicht, der ihr Sauerstoff in die Nase blies.
Sie hätte hundert Jahre alt sein können, und wenn sie jemals die innere Stärke besessen hatte, die Miranda auf dem Foto gesehen hatte, dann war sie nach dreißig Jahren Haft und vom Kampf gegen den Krebs restlos aufgebraucht. Die Frau sah müde und besiegt aus, mehr tot als lebendig.
Miranda trat an ihr Bett und umfasste das metallene Gitter des Bettes. Sie sah die Frau an, die da lag – den bitteren Zug um ihren Mund, die pulsierende Ader auf ihrer Stirn, die Lider über den geschlossenen Augen, deren Wimpern und Brauen der Chemotherapie zum Opfer gefallen waren.
Diese kranke, traurige, sterbende Frau war ihre Mutter.
Sie legte ihre Hand um das schmale Handgelenk. Die Haut fühlte sich kalt an, trocken, wie Pergament.
»Eileen«, flüsterte sie und beugte sich näher. »Mein Name ist Miranda Lang. Ich bin deine Tochter.«
Nichts. Nicht der Hauch einer Reaktion, nicht das leiseste Zucken der Augäpfel unter den Lidern.
Miranda blickte zu Jack auf, der auf der anderen Seite des Bettes stand. »Meinen Sie, sie kann mich hören?«
Jack zuckte die Achseln. »Es kann
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