Bullet Catcher: Wade (German Edition)
Sie schloss die Augen und hielt sich mit einem Finger ihr freies Ohr zu. »Wie war das? Soll ich einfach da hingehen und denen deinen Namen nennen oder … Marcus? Bist du noch da?« Sie blickte auf das Display und drückte eine Taste. »Shit. Ich hab ihn verloren.«
Wade nickte mit dem Kinn Richtung Palm Grove Villa. »Sah das nicht aus, als wäre da ein Schatten auf uns zugekommen?«
»Nein«, erwiderte sie knapp und wechselte das Thema. »Pass auf, das war mein Chef aus New York. Einer unserer Kunden hat ein Haus auf der Insel und meinte, wir könnten dort wohnen. Wahrscheinlich müssen wir einfach nur zur Immobilienverwaltung gehen – leider war die Verbindung dann weg. Ich bin sicher, das ist irgend so ein Minibüro. Wenn wir morgen dahin gehen, bekommen wir den Schlüssel.«
Er sah sie misstrauisch an. »Warum hast du ihm nicht erzählt, warum du hier bist?«
»Ich will nicht, dass er es weiß. Er ist stinksauer, dass Clive die Firma verlassen hat, und würde komplett ausrasten, wenn er wüsste, dass ich blaumache, um ihm zu helfen. Aber das ist eine geniale Lösung, Wade. Hier können wir nicht bleiben. Das Zimmer ist verwanzt. Nach allem, was wir wissen, könnte es sogar schon verwanzt gewesen sein, bevor wir kamen. Eine neue, geheime Unterkunft wäre jetzt perfekt. Wir könnten in aller Ruhe einen Plan ausarbeiten, um Clive zu finden.«
Als ob sie je im Leben einen Plan gemacht hätte. »Warum lügst du deinen Chef an?«
»Das war ja nicht richtig gelogen«, wandte sie ein. »Ich habe ihm nur nicht die ganze Geschichte erzählt.«
»Warum lügst du mich an?«
Ihr Blick war scharf und abwehrend. »Ich lüge dich nicht an.«
»Ach nein? Du hast genauso gut wie ich gesehen, was da draußen war.«
»Da war nichts außer Bäumen und ein paar Liegestühlen.«
»Wie viele Liegestühle?«
Mit verengten Augen blickte sie wieder zu der Villa. »Vier.«
Er hob die Hand, in der er immer noch ihre Brille trug, und schob sie ihr vor die Augen. »Ziemlich viel Sehkraft für jemanden, der kurzsichtig ist.«
Sie öffnete den Mund, doch er schloss ihn mit einem Finger, bevor ein Laut herausdrang.
»Kleine Zusatzvereinbarung zu unserem Deal, Vanessa Porter. Lüg mich nie wieder an.«
»Ich habe nicht gelogen. Ich habe nie gesagt, dass ich die Brille brauche.« Sie schluckte. »Ich trage sie einfach als … modisches Accessoire.«
»Und bitte keine Spitzfindigkeiten.«
»Okay.« Sie rückte die Brille zurecht und nickte Richtung Zimmer. »Sollen wir wieder reingehen und ein wenig weiterspielen?«
Er schob sich an ihr vorbei. »Ich habe nicht gespielt.«
Sie packte ihn am Arm, um ihn zu sich herumzuziehen, nahm dann ihre Brille ab und sah ihm direkt in die Augen. »Ich auch nicht.«
Als Jack Culver das letzte Mal bei Rebecca Aubry gewesen war, hatte er der heute siebzigjährigen ehemaligen Krankenschwester ein Foto gegeben, das er im Archiv des Post and Courier ,desCharlestoner Lokalblattes, gefunden hatte. Im Gegenzug hatte sie ihm ein Dokument überlassen, durch welches bewiesen war, dass eine Familie namens Whitaker aus Virginia eines von Eileens Drillingsmädchen adoptiert hatte.
Für fünf kurze Minuten war Hoffnung in ihm aufgekeimt. Vielleicht funktionierten seine Instinkte als Ermittler wieder, vielleicht stand er kurz davor, die vermisste Tochter zu finden und Eileens Leben zu retten. Und vielleicht konnte er endlich diesen Mord aufklären, den sie nach seiner festen Überzeugung nicht begangen hatte.
Doch dann raubte ihm ein Straßendieb jäh diese Hoffnung, mitsamt fünfundsiebzig Dollar und dem vermaledeiten Umschlag.
Zum Glück hatte er sich vor dem Überfall die Informationen auf dem Stück Papier eingeprägt und beschlossen, dass es nicht lohnte, sich den Knaben zu greifen, ihm an seine dürre Kehle zu gehen und aus ihm herauszuprügeln, wer ihn geschickt hatte. Als Jack das letzte Mal so reagiert hatte, hatte er einen hohen Preis dafür bezahlt. Es gab weniger riskante Möglichkeiten, sich zu besorgen, was er brauchte.
Er klopfte energisch an die Tür, damit ihn die schwerhörige alte Dame auch hören konnte, selbst wenn sie einen Mittagsschlaf machte. Drei Minuten würde sie mindestens brauchen, um zur Tür zu schlurfen. Doch nichts geschah.
Er klopfte erneut, wartete eine weitere Minute und sah sich dann um, wie er wohl am besten in das Haus eindringen könnte, um zu überprüfen, ob sie vielleicht doch da war.
Da wurde der Türriegel zur Seite geschoben, und die Tür öffnete
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