Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
damit ich den Sicherheitsabstand von drei Millimetern einhalte,
aber ohne eine Ahnung davon, wie lange ich schon unterwegs bin… In gewisser
Hinsicht glich das einem Traum: Ich sah Gesichter … ich wusste es genau – ich
erinnerte mich an Lächeln, Zwinkern und Winken – ich wusste nicht in welcher
Reihenfolge… Es gab keine Handlung, sondern nur ein Konstrukt von der Umgebung:
eine kochende Masse aus Licht und Farbe… Dann wieder ein Gesicht mit tollen
Augen und ein Flattern der Kleidungsteile… Einer fuhr mit dem Rücken gegen den
Wind… Zwei fuhren nebeneinander und diskutierten – das waren dieselben, die die
ganze Party über diskutierten… Einige meditierten scheinbar … viele ignorierten
den Hebel, andere dagegen waren voll konzentriert und ernst am „lenken“… Eine
zeichnete mit Bleistift auf Karton… Jemand rauchte eine Zigarre… Jemand anderes
lutschte an einem Lolli… Alles war verschmiert und durcheinander…
….
Und blieb relativ unverändert bis zu dem Moment, als ich
eine andere Art von Aufregung spürte. Mein pochendes Herz erfuhr einen Ruck,
als wenn eine winzige Dosis einer anderen Substanz neben dem Adrenalin den Weg
ins Blut fand. Und auch wenn der deutliche Effekt nur einen Augenblick
andauerte, spürte ich die subtile Nachwirkung in meinem Körper ununterbrochen
wachsen. Ich war in Erwartung von etwas Außerordentlichem, das mein
Unterbewusstsein aus einer Million „In-Erwägung-Gezogenen“ und innerhalb
einiger hundert Kilometer Durchmesser aussonderte… Ich vergas den Hebel und
begab mich auf die Suche nach der Quelle.
Ich suche SIE schon lange.
Nach einiger Zeit, als die Aufregung fast unerträglich
wurde, dass ich kaum noch atmen konnte, erspähte ich einen entfernten Punkt,
der sich mir entgegen bewegte. In vielleicht dreißig Sekunden wären wir auf
einer Höhe, und spätestens ab diesem Countdown sah ich nichts weiter, als zwei
Schiffe in der brodelnden See. Der Kapitän des anderen Schiffes war
seltsamerweise ein Mann … und zwar genau der Mann, mit dem diese Geschichte
startete, dessen Namen ich nicht kannte, über den ich so gut, wie Nichts wusste,
der aber, wie ich denke, genau derjenige ist, der meiner Dankbarkeit sicher
sein kann… Der Mann, der einst genau so plötzlich verschwand, wie vorher
auftauchte, den ich mit einem Teil meines Bewusstseins vermisste, während mit
einem Anderen für ein Phantom hielt, von dem ich erwartete, dass er früh oder
spät wieder aufkreuzt… Und da war er: Genau wie ich – stehend in der Kabine –
hielt er sich mit der rechten Hand am Geländer, ließ die andere Hand samt
seiner schwarzen, feinseidigen Kleidung im Winde baumeln. Seine ernste Miene
war nur durch die Wärme seiner Augen unterbrochen … die ich lange anstarrte,
bis ich merkte, wie sich der Rest des Gesichts langsam verwandelte … und zwar –
zu meiner großen Verwunderung - in das eines anderen Mannes, namens Cilli, der
mir schon damals, im Turm ziemlich rätselhaft vorkam, nun aber verbluffte mich
sein plötzliches Erscheinen.
Was hat das zu bedeuten? Täuschen mich meine Sinne?
Erlaubt sich jemand Späße? Soll ich es hinnehmen, was ich sehe? … „Ein Meister
der Camouflage“ – sagte Sani zu ihm damals. Das müsste bedeuten: er war nie
richtig verschwunden, sondern versteckte sich in der Menge auf einen Schritt
Entfernung, wie ein Leibwächter – mich keine Sekunde aus den Augen lassend ..
als wäre ich ein Bernstein, der geraubt werden könnte… Oder eher doch wie ein
Wissenschaftler, der ein Projekt gestartet hat und keine Lücken im Bericht
hinterlassen möchte? … Vielleicht ein Voyeur, der sich an meinen Gefühlen … Wer
dieser Mann auch sei, er ist nicht der Grund für meine Aufregung – für das
quälende Vakuum in meinem Bauch.
Dabei verstehe ich Einiges nicht: Warum kann ich meinen
Blick von seinen Augen nicht abwenden? Warum suche ich nicht woanders? Warum
fesselt mich sein Lächeln, als wäre es ihres? Warum wächst die Spannung im
Bauch weiter? Warum wird mir die Welt gleichgültig? Warum zittern meine Hände,
während Gelenke schwach werden?
Das kann nur eins bedeuten: Cilli ist ein Frauenname. Das
ist >ihr< Name. Das sind ihr Lächeln und ihre Augen. Sie ist es, die mir
ständig die Sinne raubt. >Sie< ist der Kapitän des anderen Schiffes, das
mir entgegen hastet, das im nächsten Augenblick mit mir auf einer Höhe sein
wird… Mit zwei tausend Kilometer pro Stunde wird sie an mir
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