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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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oben. Mittlerweile hatte sie sich auch Lenz’ Taktik zu eigen gemacht, die Pedale nicht sitzend, sondern stehend zu bearbeiten und damit den Widerstand, den das Gefährt ihr entgegensetzte, zu bezwingen. Doch auch das brachte sie nur noch ein kleines Stück vorwärts. Bei der zweiten Kehre war es dann soweit. Jenny musste sich ihre Niederlage eingestehen, der Berg hatte gesiegt. Schweren Herzens und mehr vor Wut denn vor Erschöpfung schnaubend stieg sie ab und tat das, wofür sie, wenn sie jemand anderen dabei ertappte, nur Verachtung übrig hatte: Sie schob ihr Rad. Das Einzige, was sie davon abhielt, ihrem Ärger lautstark Luft zu machen, war die Tatsache, dass auch Lenz abgestiegen war und sein Rad nun quasi im Handbetrieb nach oben manövrierte.
     
    Verschwitzt und außer Atem erreichten sie schließlich den schmalen, kopfsteingepflasterten Weg, der zu dem Kirchlein führte. Jenny hatte weder Augen für das idyllisch inmitten der Weingärten gelegene Bauwerk noch für den fantastischen Ausblick auf den Rosengarten, das weltberühmte Bergmassiv der Dolomiten, das sich dem weniger getriebenen Betrachter in der Ferne darbot. Achtlos lehnte sie ihr Rad an die Steinmauer und ohne sich nach Lenz umzudrehen, eilte sie zum Portal des Gotteshauses. Der Zettel, den sie dort vorfand, war nicht geeignet, ihr erhitztes Gemüt auch nur im Geringsten abzukühlen.
    Führung Mittwoch von 16 bis 18 Uhr. Der Mesner ist nicht verpflichtet, Besuchern außerhalb dieser Zeit Einlass zu gewähren . Jenny wollte ihren Augen nicht trauen. Da hatte Lenz mehr oder weniger jede Freske einzeln abrufbar im Gedächtnis gehabt, aber ausgerechnet daran, dass die Kirche nur zwei Stunden in der Woche für Besucher zugänglich war, sollte er sich nicht mehr erinnert haben. Jenny konnte das nicht glauben. Was spielte er für ein Spiel?
    Lenz war neben sie getreten und las nun ebenfalls den Anschlag. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, hätte den Giftschlangen, die sich zum Leidwesen der Bauern zwischen den Rebstöcken herumtrieben, zur Ehre gereicht. Ungeduldig wartete sie darauf, was er wohl zu seiner Verteidigung vorbringen würde. Mit dem, was sie dann zu hören bekam, hatte sie allerdings nicht gerechnet. »Kenn ich den Mesner. Ist es meine Schwester.« Mit offenem Mund starrte Jenny ihm nach, als er kehrtmachte und den Weg, den sie gekommen waren, zurückging.
     
    *
     
    »Psst. Nicht so laut, sonst hört er uns.« Jenny drückte sich flach an die Außenmauer des Marienhofes, eines Hotel-Restaurants an der Rentschnerstraße fast unmittelbar gegenüber der Einmündung des steilen Weges, der von St. Magdalena talwärts führt. Lenz’ Schwester war, wie sich bald herausgestellt hatte, im Weinberg und würde erst gegen 14 Uhr auf den nahe der Kirche gelegenen Bauernhof zurückkehren. Das klang zwar immer noch besser als 16 Uhr, dennoch galt es, fast drei Stunden zu überbrücken.
     
    »Gibt es hier ein Gasthaus mit einer schönen Terrasse. Können wir dort etwas trinken und eine Kleinigkeit essen.« Lenz hatte den Vorschlag gemacht, und die Aussicht auf Speis, Trank und ein schattiges Ambiente hatten Jenny schließlich bewogen einzuwilligen. Zwar hatte sie ihre Entscheidung, kaum dass sie gewahr wurde, dass der Marienhof am Fuß des Hanges lag und sie daher ein zweites Mal wieder hinauf radeln müssten, bereut. Aber wenn sie die ganze Unternehmung nicht überhaupt abbrechen wollte, was sie sich als Option immer noch offenhielt, gab es vorläufig keine andere Möglichkeit.
    Mit quietschenden Bremsen und in gebührendem Abstand war sie daher Lenz gefolgt und in den Parkplatz der – wie sie befriedigt konstatierte – durchaus gehobenen Lokalität eingebogen. Als sie ihr Fahrrad neben dem von Lenz in dem dafür zur Verfügung stehenden Ständer abstellte, bemerkte sie einen etwa mittelgroßen Mann mit Schürze und weißer Mütze, der sich vor einer der ebenerdig nach draußen führenden Seitentüren des weitläufigen Gebäudes im alpenländischen Stil eine Zigarette genehmigte. Es war allerdings nicht der rauchende Koch, der ihre Aufmerksamkeit erregte. Vielmehr fühlte sie sich von der Person, die gerade mit ihrem Moped hergeknattert war und sich jetzt von der mit Büschen gesäumten Seite des Parkplatzes näherte, magisch angezogen. Irgendwie hatte der Mann etwas Verstohlenes an sich, vor allen Dingen aber kam er ihr bekannt vor. Wo hatte sie diese untersetzte Gestalt und die grobschlächtigen Züge schon einmal gesehen?
    Im Rückwärtsgang

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