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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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oft gefahren war. Jetzt lag die längste pfeilerlose Spanne vor ihnen. Sie schwebten fast einen Kilometer bis zur nächsten Stütze durch die Luft.
    Äcker, Wiesen und Wälder taten sich jetzt tief unter ihnen auf, da ein Haus, dort eine Kirche hineingesprenkelt in den Landschaftsteppich. Rinsgherum bildeten die Berggipfel den passenden Rahmen für ein Gemälde, das kein Meister, sondern die Natur selbst geschaffen hatte.
     
    Versunken genoss Lenz die grandiose Aussicht und das sanfte Schaukeln der Gondel, als ihm auffiel, dass Jenny ungewöhnlich ruhig war. Offenbar ging’s ihr nicht gut. Statt hinaus sah sie auf den Boden und hielt sich an der Sitzbank fest. Hatte sie Höhenangst? Das wunderte ihn, immerhin war sie auf den Baum geklettert. War es wohl ein Unterschied zwischen ein paar Metern über dem Boden und an die 100 Meter über dem Abgrund.
    Sollte er sie vielleicht beruhigen. Fiel ihm aber nichts ein. Außer »Kann nichts passieren.« Was aber nicht stimmte. Er wusste, was am Berg passieren konnte. Wenn es auch nichts mit der Seilbahn zu tun hatte. Aber vergessen konnte er es nicht. Machte er sich noch heute Vorwürfe. Ob seine Schwester es ansprechen würde, wenn sie nachher den Schlüssel für die Kirche holten. Sollte er Jenny wohl vorher Bescheid sagen.
    Die saß noch immer recht verkrampft da. Den Mund hatte sie jetzt leicht geöffnet und atmete tief ein und aus. Sie tat ihm richtig leid. Ob es half, wenn er ihre Hand hielt?
    Langsam streckte Lenz seine Rechte aus, als er sah, wie Speranza sich umdrehte. Auch Jenny schien den Blick, mit dem der Bauarbeiter sie beide musterte, bemerkt zu haben. Sie sah Lenz jetzt mit weit aufgerissenen Augen an. So erschrocken hatte er sie bisher noch nie erlebt. Fast unwillkürlich legte er den Arm um sie und zog sie näher an sich heran.
    Speranza stierte immer noch zu ihnen her. Sollte er sie doch für ein Liebespaar halten. Vor dem Panoramafenster tauchte die Jugendstilfassade des traditionsreichen Parkhotels Holzner auf. Gleich würden sie die Bergstation erreicht haben.
     
    *
     
    In der Rittner Bahn, einer Schmalspurbahn, die auf der Strecke zwischen Oberbozen und Klobenstein verkehrte, saß Giovanni Speranza und blickte aus dem Fenster. Wälder, Täler und Gebirge zogen an ihm vorbei, ohne dass er diesen landschaftlichen Schönheiten etwas abgewinnen konnte. Sein forschender Blick galt einzig und allein dem Paar, das ihm schon in der Seilbahn aufgefallen war. Die hatte er doch schon mal gesehen. Der Teufel sollte ihn holen, wenn das nicht zwei von den Leuten waren, die Blasius Botsch neulich auf der Burg herumgeführt hatte. Die hatten ihm schon genug Ärger eingebrockt. Es fehlte gerade noch, dass ihm zwei von denen jetzt auch noch nachspionierten.
    Er hätte dem kleinen Schnüffler, der ihn an dem Abend ertappt hatte, als er aus dem Keller kam, lieber gleich den Mund stopfen sollen. Das hatte er nun von seiner Gutmütigkeit. Botsch stellte ihm seit dem Abend komische Fragen, und die Rossi ließ ihn überhaupt nicht mehr aus den Augen, wenn er auf der Burg war. Die hatte ihn auf dem Kieker, seit sie ihm auf Befehl ihres Chefs den Grappa hatte servieren müssen.
    Wäre sowieso gescheiter gewesen, er hätte das verdammte Zeug damals nicht zu Botsch gebracht. Das hatte ihm bisher nur Ärger eingehandelt. Erst der Junge, der ihm aufgelauert hatte, und jetzt auch noch der Mann und die Frau. Taten, als wären sie ein Liebespaar, das einen Ausflug macht. Aber so leicht ließ er sich nicht täuschen. Er hatte die Radfahrer gleich bemerkt, als er vom Marienhof in die Straße eingebogen war. Da hatte er sich noch nichts dabei gedacht. Als sie dann aber an der Talstation der Seilbahn und gleich darauf mit ihren Fahrrädern in der Kabine aufgetaucht waren, hatte er Lunte gerochen. Hatten sich sicher absichtlich ganz hinten auf die Bank gesetzt, damit sie ihn beobachten konnten. Zuerst hatte er so getan als würde er nichts bemerken und sich dann blitzschnell umgedreht. Da hatte er ihnen einen schönen Schrecken eingejagt, besonders der Frau. Der schien sowieso schlecht zu sein. Hätte sie mal lieber unten bleiben sollen. Die Höhenluft bekam eben nicht jedem.
    »Collalbo. Klobenstein.« Auch ohne Stationsschild hätte er gewusst, dass er sein Fahrziel erreicht hatte. Wenn die beiden ihm gefolgt waren, dann würden sie ihm vermutlich hier auflauern. Bei dem Schneckentempo, in dem die Bahn dahinzockelte, war das mit dem Rad locker zu schaffen. Vielleicht hätte er eine

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