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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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dann wären ja insgesamt schon drei Leute im Spiel.
    »Die drei Studenten. Natürlich, sie haben gemeinsame Sache gemacht, und der Streit war nur inszeniert. Während sich alle um den verletzten Lukas kümmerten, hat einer der beiden anderen die Handschrift gestohlen.« Jenny winkte der Kellnerin.
    »Ist aber Tina beinahe in Ohnmacht gefallen. Hab’ ich gesehen, wie du dich um sie gekümmert hast. Und Mordred hat seine Show abgezogen. War der die ganze Zeit in der Schänke« Lenz war noch immer nicht überzeugt, aber Jenny hatte auch dafür eine Erklärung parat.
    »Dann war es Lukas. Die Möglichkeit dazu hatte er.«
    Die Kellnerin kam. »Prego, haben Sie noch einen Wunsch.«
    »Nein Danke. Zahlen bitte.« Jenny schien es plötzlich eilig zu haben. Doch noch ehe sie ihre Geldbörse aus ihrem Rucksack, den sie heute anstatt einer Handtasche bei sich trug, hervorkramen konnte, hatte Lenz schon ein paar Münzen auf den Tisch gelegt.
     
    Lukas als Komplize oder gar als Täter, der Gedanke schien Lenz auf einmal gar nicht mehr so abwegig. Er hatte den stillen Studenten immer schon für ein tiefes Wasser gehalten. Der brauchte bloß so zu tun, als ginge er auf die Toilette, die am anderen Ende des Burghofes lag. In der Zeit hätte er alles Mögliche anstellen können.
    »Bis der Professor Mordred die Handschrift abgenommen hat und bis sich dann herausstellte, dass es sich um eine Fälschung handelte, sind mehr als zehn Minuten vergangen. Währenddessen war Lukas völlig unbeobachtet.« Jenny bemühte sich, die Abläufe zu rekonstruieren. »Und auf Tina habe ich, kaum dass es ihr besser ging, auch nicht mehr geachtet. Alle haben wie gebannt auf Mordred und sein Spektakel gestarrt.«
    Lenz streute Zucker in seinen Cappuccino, von dem er bisher noch gar nicht getrunken hatte, und begann, den Milchschaum mit dem Löffel umzurühren.
    »Könnt’ es auch sein, dass Lukas die Handschrift gestohlen und Tina mit ihm dann die Rätsel verfasst hat. Kann ich mir aber nicht vorstellen, warum.«
    »Um sich an Mordred zu rächen. Das ist Grund genug.« Liebe, Leidenschaft und Eifersucht seien häufig Motive für Raub, Totschlag und Schlimmeres, erklärte Jenny. Dazu brauche man sich nur die täglichen Schlagzeilen vor Augen zu führen. Sie glaube zwar nicht, dass die beiden Verbrecher seien. Viel eher neige sie zu der Auffassung, dass es sich hier um eine Art Charade handle, die als Scherz begonnen habe und nun eine Eigendynamik entwickle, mit der die Täter ursprünglich gar nicht gerechnet hätten. »Es kann aber auch sein, dass dem viel mehr zugrunde liegt, als wir ahnen. Auf jeden Fall sollten wir herausfinden, was es mit dem zweiten Rätsel auf sich hat.«
    Lenz ließ sich die Argumente noch einmal durch den Kopf gehen. Klang ganz schlüssig, was Jenny gesagt hatte, wenn auch noch nicht alles geklärt war. Als er einen Schluck von seinem Cappuccino nahm, stellte er fest, dass das süße, cremige Gebräu kalt geworden war. Unvermittelt stellte er die Tasse auf dem Unterteller ab und griff nach dem Plan.
    »Fahren wir nach St. Magdalena.« Energisch ging er auf die Fahrräder zu. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie Jenny Helm und Rucksack schnappte und ihm folgte. »Geht es eben dahin. Müssen wir nur am Schluss ein bisschen klettern«, rief er ihr noch zu, bevor er losradelte.

Acht
     
    Wer in Bozen schon einmal mit dem Fahrrad unterwegs war, wird Folgendes festgestellt haben: Dass nämlich, sobald man das Zentrum in Richtung der an den Ausläufern des Ritten gelegenen Weinhänge verlässt, die jeweilige Strecke auch dem sportlich Versierten einiges abverlangt. Schmale, steile Sträßchen, die die Siedlungen mit den Hauptverkehrsadern verbinden, führen in Serpentinen hügelauf und hügelab und fordern, sowohl die Technik als auch die Kondition betreffend, höchsten Tribut.
    Dem aufmerksamen Beobachter wird zudem nicht entgangen sein, dass die Einheimischen dieser Herausforderung ungerührt begegnen. Mit lächerlichen Fünf- oder Sechsgang-Rädern, ohne taugliches Schuhwerk und bar einer schützenden Kopfbedeckung trotzen sie den Strapazen, die der Berg für sie bereithält. Durch kräftige Tritte in die Pedale treiben sie ihre Drahtesel nach oben, oft noch, indem sie auch ihren Oberkörper im Kampf gegen die Schwerkraft zum Einsatz bringen. Wenn das nichts mehr nützt, steigen sie einfach ab und schieben ihr Gefährt hinauf in die luftigen Höhen, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. Kaum, dass sie auf einer der

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