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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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50 Cent für die einfache Fahrt plus die vier Euro für den Transport ihres Gefährts bezahlt. War doch die Gebühr vergleichsweise gering für den besonderen Kick, den sie sich damit erkauften: Mit der Seilbahn auf den Ritten hinaufzufahren und mit dem Radl die halsbrecherischen Wege hinunter zu brettern.
     
    Als der groß gewachsene Südtiroler mit seinem Fahrrad und seiner zierlichen Begleiterin, die ebenfalls ein Radl neben sich herschob, an seinem Schalter erschienen war und zwei Tickets verlangt hatte, war der Schalterbeamte selbstredend davon ausgegangen, dass es sich um eine einfache Fahrt handelte. Nachdem der andere nachgefragt hatte, ob im Preis auch die Rückfahrt inkludiert sei, war er stutzig geworden. »Wellt’s es nit mit’n Radl oi fohr’n?«, hatte er gefragt und die beiden dabei aufmunternd angesehen. Der andere hatte verneint.
    »Fahr’n wir oben ein bisschen herum. Dann wieder mit der Seilbahn retour.«
    Während seiner Zeit als Schalterbediensteter hatte Tschonnie sich angewöhnt, mit den Gästen zu plaudern, nicht aber zu diskutieren. Solange sie sich an die Sicherheitsvorschriften hielten und den Fahrpreis ordnungsgemäß bezahlten, konnte es ihm schließlich egal sein, was sie machten. Wenn sie ihr Geld unbedingt zum Fenster hinauswerfen wollten, bitte schön. Ihm konnte es nur recht sein. Kamen die Einnahmen doch der STA, der Südtiroler Transportstrukturen AG, zugute. Und die war immerhin sein Arbeitgeber.
    »Wie’s es wellt’s. Das wär’n dann 23 Euro für boade«, sagte er daher zu dem Pärchen , kassierte und händigte ihnen die Tickets aus.
    Immer noch mit dem soeben Erlebten hadernd sah er den beiden nach, als hielte der Anblick ihrer Rückansicht die Erklärung für ihr seltsames Verhalten bereit. Ganz geheuer war es ihm nicht …
    »Oanfach oder Hin und retour?« Der nächste Fahrgast stand vor ihm. Er hatte schließlich einen Job zu erledigen.

Neun
     
     
    Groß sind die Werke des Herrn
    zum Staunen für alle,
    die daran ihre Freude haben.
     
    Psalm 111,2
     
    Immer kleiner wurden die Türme und Dächer Bozens, bis sie schließlich ganz aus Lenz’ Blickfeld verschwanden. Er und Jenny saßen in einer der in der Farbe der roten Magdalena Rebe gestrichenen Gondeln, die die Fahrgäste nach Oberbozen, dem beliebten Sommerfrischort am Ritten, beförderten. Die erste der sieben Stützen hatten sie bereits passiert. Bald würden sie das steile Teilstück zu Beginn der Strecke überwunden haben und das Panorama genießen können.
    Von seiner Bank an der Rückwand der Kabine sah Lenz auf Speranzas Nacken, der wulstig unter dem kurz geschorenen grauen Haar hervorquoll. Es war ihnen gelungen, den Bauarbeiter bis zur Einmündung der Brenner- in die Rittnerstraße zu verfolgen. Dann hatten sie ihn aus den Augen verloren. Bis Jenny mit einem »Da vorne ist er« sämtliche Verkehrsregeln missachtend scharf links abgebogen und direkt vor der Talstation der Rittner Seilbahn zum Stehen gekommen war.
    Lenz war ihr, so rasch es ihm der Gegenverkehr erlaubte, gefolgt. Kaum neben ihr angekommen, sah er, wie Speranza durch die automatische Glastür ins Innere des Gebäudes ging. Sein Moped hatte er offenbar schon geparkt, jetzt galt es, einen Platz für ihre Räder zu finden. Was sich als nicht unerhebliche Schwierigkeit herausstellte, da sämtliche dafür vorgesehene Abstellmöglichkeiten bereits zum Bersten voll waren.
    »Können wir die Räder nicht mitnehmen?« Jenny zeigte auf einen kernigen Burschen, der sein Fahrrad gerade durch den Eingang zum Schalter schob. Lenz erkannte sofort, was der vorhatte: Mit der Seilbahn hinauf und mit dem Radl wieder hinunter. Das wäre nichts für Jenny. Er hatte schon bemerkt, dass sie ängstlich wurde, wenn es bergab ging. Anderseits wussten sie nicht, was Speranza im Schilde führte. Sah ganz so aus, als hätte er oben am Ritten zu tun. Da waren sie mit dem Rad vielleicht sogar besser dran. Wäre auch unverdächtiger, falls er sie erkannte. Machten sie eben eine Tour. Mussten sie sich jedenfalls beeilen, wenn sie ihn noch erwischen wollten. Ohne viele Worte zu wechseln, hatten sie ihre Räder zum Schalter geschoben, die Fahrkarten gekauft und die Kabine gerade noch erreicht, bevor die Schranke zuging.
     
    »Sssssst.« Die Gondel hatte gerade wieder eine Stütze passiert. Er liebte dieses Gefühl, wenn das Gehäuse danach jedes Mal ein wenig nach unten sackte, glaubte zu fliegen. Er kannte die Strecke von der alten Rittner Seilbahn, mit der er früher

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