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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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genau studiert.
    »Kennst du dich gut aus hier.« Jetzt würde er dran bleiben. Lukas schien aber nicht bereit, mehr preisgeben zu wollen, denn er hielt schon wieder hartnäckig den Mund.
    »Er war schon mal mit seiner Mutter hier. Sie interessiert sich sehr für Kunstschätze und hat ihm alles gezeigt.« Tina war eindeutig die Kooperativste von den dreien.
    »Die Erdpyramiden sind kein Kunstschatz. Aber im Prinzip hast du recht.« Aha, Lukas konnte also doch noch reden. Klang zwar ein wenig schulmeisterlich, er hatte Tina dabei aber angelächelt, sah beinahe verliebt aus, er schien das Mädl echt gern zu haben. Und sich in Bozen gut auszukennen. Beides hätte er dem stillen Jungen nicht zugetraut.
    »Wünsch ich euch noch einen schönen Tag. Ist ja nicht mehr weit.« Die Studenten verabschiedeten sich ebenfalls. »Meine Empfehlung an das Fräulein Braut«, setzte Mordred noch nach.
     
    Lenz sah den dreien hinterher, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Doch anstatt in die Richtung zurück zu radeln, aus der er gekommen war, bog er scharf nach rechts ab und nahm den Weg, der zur Anhöhe hinaufführte. Es gab hier noch etwas für ihn zu tun.

Zehn
     
    Jenny hatte Speranzas Verfolgung wieder aufgenommen. Zunächst war er vorbei an Gasthöfen und Cafés weiter in den Ort hineingegangen, dann jedoch in eine kleine Seitenstraße abgebogen. War das der Weg zurück zum Bahnhof? Beim Herkommen hatte sie nicht darauf geachtet, sich ganz auf den Bauarbeiter konzentriert und auf die Ortskenntnis von Lenz verlassen. Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie ohne ihn an ihrer Seite ziemlich aufgeschmissen war. Sie kannte sich überhaupt nicht aus und hatte völlig die Orientierung verloren. Speranza konnte sie ohne Weiteres in einen Hinterhalt locken, wo er leichtes Spiel mit ihr hätte. Wer wusste schon, wie viele Komplizen er hier hatte. Damit beschäftigt, sich verschiedene Szenarien auszumalen, bemerkte sie nicht, dass der von ihr Verfolgte sein Tempo immer mehr verlangsamte. Sie sah ihn erst, als er nur noch wenige Meter vor ihr stand. Eben noch hatte er ihr den Rücken zugewendet, jetzt drehte er sich abrupt zu ihr um. Jenny blieb beinahe das Herz stehen. Der Bauarbeiter sah ihr direkt ins Gesicht, der Ausdruck seiner zusammengekniffenen Augen verhieß nichts Gutes.
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihr Rad auf dem etwas abschüssigen Weg schneller geworden war. Ohne es zu beabsichtigen, raste sie direkt auf Speranza zu. Dessen Augen hatten sich mittlerweile vor Schreck geweitet. Mit einer solchen Attacke hatte er offenbar nicht gerechnet. In letzter Sekunde sprang er zur Seite, geriet ins Straucheln und stützte sich mit beiden Händen an einer Gartenhecke ab. Um einen Sturz zu vermeiden, hatte er die Einkaufstüten fallen lassen. Die lagen nun am Boden, deren Inhalt ergoss sich über den Asphalt.
    Jenny, die ihr Rad inzwischen zum Stehen gebracht hatte, wollte ihren Augen nicht trauen. Vor ihr breiteten sich die Zutaten für geschätzte 20 Portionen einer typisch italienischen Mahlzeit aus: zwei Stangen Salami, ein riesiger Leib Prosciutto und ein fast ebenso großer aus Parmesan lagen auf dem Boden. Daneben häuften sich verschiedene Sorten Pasta. Die Spaghetti hatten den Unfall vergleichsweise gut überstanden und waren in ihre Plastikhülle eingeschweißt geblieben. Den Fusilli war der Aufprall weniger gut bekommen. Die Verpackung war aufgeplatzt, nun lagen die spiralförmigen Nudeln gestrandeten Würmern gleich über das Pflaster verstreut. Am schlimmsten hatte es die Tomatendosen getroffen. Sie hatten bei ihrem Tanz auf dem Asphalt zahlreiche Knüffe einstecken müssen, bevor sie mit Dellen und Beulen am Straßenrand liegen geblieben waren. Die wenigen unversehrten hatten sich polternd davongemacht.
    »Manuskript ist da jedenfalls keines dabei.« Jenny wunderte sich, wie nüchtern sie die Sachlage erfasste, als sie Speranza auf sich zukommen sah. Die Entschuldigung, die sie auf den Lippen hatte, blieb ihr im Hals stecken.
    »Maledetta ficcanaso, io ti conosco già , non ti muovere.« Mit erhobener Faust stieß der Italiener seine Flüche und Drohungen aus. »Verdammte Schnüfflerin, stehenbleiben.« Das hatte Jenny verstanden – und, dass er sie erkannt hatte. Da war keine Zeit zu verlieren. Das Chaos, das sie angerichtet hatte, tat Jenny zwar leid, aber Speranza ließ offenbar nicht mit sich reden. Im Handumdrehen lenkte Jenny ihr Rad in die nicht durch Lebensmittel blockierte Fahrtrichtung und raste davon.

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