Burgfrieden
überrumpeln, dann war ihm dies fürs Erste gelungen. Wie angewurzelt blieben sie stehen und sahen ihn an, als wäre gerade die Gletschermumie Ötzi persönlich aus dem Eis aufgetaucht.
Mordred fasste sich als Erster:
»Der Herr Assistent. Sollte der nicht unserer Frau Doktor das Händchen halten, während ihr zarter Knöchel untersucht wird.« Jetzt stimmte auch Tina ein:
»Ich dachte auch, du wärst mit Jenny Sommer im Krankenhaus.« Der dritte, Lukas, musterte Lenz schweigend.
Es war ihnen gelungen, den Spieß umzudrehen. Auf einmal waren es nicht mehr sie, die Rede und Antwort stehen mussten, vielmehr befand Lenz sich unter Erklärungsdruck.
»Ist alles in Ordnung, nichts gebrochen. Glaub’ ich, sie wollte ein bisschen shoppen gehen.« Jenny würde ihn umbringen, wenn sie das hörte, war aber die erstbeste Ausrede, die ihm eingefallen war, zumal es auch in das Bild passte, das sich die anderen von ihr machten.
»Und was tust du hier oben?« Tina war wie immer geradeheraus. »Besuch’ ich Freunde hier. Dacht’ ich mir, nutz ich die Zeit.« Das war die Erklärung, die er sich zurechtgelegt hatte, er konnte nur hoffen, dass sie sich damit zufriedengaben, was, wenn er Tinas Nicken und Lukas’ konsequentes Schweigen richtig deutete, auch zutraf. Mordred jedoch schien nicht willens, sich damit abspeisen zu lassen.
»So, Freunde also.« Der Blick aus schmalen Augen, mit dem er seine Worte begleitete, machte deutlich, dass er Lenz nicht glaubte. Der hätte den Neffen oder vielmehr Sohn des Professors am liebsten stehen lassen und einfach kehrt gemacht. Ging aber nicht. Er würde sonst nie rausfinden, wieso die drei hier oben waren.
»Bin ich aus der Gegend. Liegt St. Magdalena im Tal, sind wir nun oben.« Jetzt sahen ihn nicht nur Mordred, sondern zwei weitere Augenpaare an, als wäre er nicht ganz richtig im Oberstübchen. War wohl nicht besonders schlagfertig gewesen, musste er sich noch etwas einfallen lassen.
»Meine Verlobte ist hier oben.« Ehe er richtig hatte nachdenken können, war ihm dieser Satz herausgerutscht. Bedachte er es recht, dann stimmte das sogar. Die Studenten schienen die Erklärung ihren Mienen nach zu urteilen jedenfalls zu schlucken.
»Da wird die Sommer aber gar nicht erfreut sein, wenn sie das erfährt.« Dass Mordred wieder boshaft konterte, hätte er sich denken können. Das war ihm jetzt aber egal. Er hatte Jenny ohnehin schon reinen Wein einschenken wollen und jetzt würde er es eben nachholen, sobald er eine Gelegenheit dazu fand. Zuerst aber wollte er herausbekommen, was die Studenten hierher trieb.
Er suchte Mordreds Blick, bis es ihm schließlich gelang, diesen mit seinem festzunageln.
»Und Ihr, wie seid Ihr hier heraufgekommen?« Wenn es sein musste, wusste er die deutsche Grammatik durchaus korrekt zu gebrauchen.
Mordred starrte immer noch zurück. Schließlich bequemte er sich zu einer Antwort.
»Als wir ankamen, war das Schloss zu.« Indem er die Mundwinkel geringschätzig verzog, fügte er noch hinzu: »Mein Onkel scheint wohl eine Pechsträhne zu haben.«
Tina, der das Ganze offenbar peinlich war, bemühte sich um eine Erklärung:
»Es hieß, wegen Renovierungsarbeiten. Das hat uns aber niemand vorher gesagt.« Sie machte keinerlei Anstalten, den vorwurfsvollen Tonfall in ihrer Stimme zu unterdrücken. Lenz konnte sich ausmalen, wem der galt: Blasius Botsch. Der Burgdirektor hätte sich über die aktuellen Öffnungszeiten erkundigen müssen, bevor er seinem Freund einen Besuch empfahl, und sie nicht einfach auf gut Glück dorthin schicken dürfen.
Damit konnte Lenz sich jetzt aber nicht aufhalten. Viel wichtiger war, herauszufinden, wie die Studenten auf den Ritten gekommen waren. Tina kam seiner Frage zuvor:
»Wir wollen uns die Erdpyramiden ansehen. Herr Kofler hat uns nach Klobenstein gefahren.« Der Verwalter also. Auf den war Verlass, er kümmerte sich eben um die Gäste der Villa. Auch wenn es Lenz in dem Fall lieber gewesen wäre, Georg hätte die Leute nicht ausgerechnet auf den Ritten gebracht. Allerdings hatte der ja nicht ahnen können, was er damit anrichtete.
»Hat er Euch also gesagt, hierher zu kommen.« Lenz wollte jetzt endlich wissen, was da lief.
»Nein, das war meine Idee.« Er konnte also wieder sprechen, der Lukas. Aber woher wusste der über die Erdpyramiden Bescheid?
Zugegeben, sie waren ein Naturphänomen. Aber man musste sich in Bozen und Umgebung schon gut auskennen, um davon zu wissen. Oder aber man hatte die Reiseführer
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