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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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die Handschrift zu entwenden. Jetzt sind wir wieder alle verdächtig. Das liegt doch auf der Hand.« Und wie zum Beweis schlug sie mit derselben auf die kunstvolle Intarsienarbeit des niedrigen Tischchens, das vor ihnen stand.
    Lenz wirkte immer noch recht skeptisch. Aber Arthur wusste, dass sie die Sache auf den Punkt gebracht hatte.
    »Ich muss Jenny leider recht geben. Jeder der Anwesenden hätte die Möglichkeit gehabt, während des Abendessens in der Burgschänke noch einmal in den Westpalas und in das Zimmer der Liebespaare einzudringen.«
    Arthur machte eine Pause. Jenny wollte schon wieder etwas sagen, als Lenz ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm legte.
    »Frag’ ich mich, wo sich der Eingang befindet.« Der Assistent sah den Professor aufmerksam an. Der meinte seufzend:
    »Wir sind alle dran vorbei gegangen. Es ist die Falltür, die sich vor dem Westpalas befindet. Sie war die meiste Zeit an dem Abend geöffnet.«
    Jetzt ließ sich Jenny nicht mehr zurückhalten:
    »Natürlich, die habe ich gesehen. Da führte eine Leiter hinunter zum Lager. Ich habe sogar den Koch herauskommen sehen mit einem Stück Fleisch, das er geholt hat. Aber das Manuskript war doch …« Jenny unterbrach sich selbst und schlug sich neuerlich mit der Hand auf den Mund. Vermutlich war ihr gerade ein Gedanke gekommen, den Arthur jetzt aussprach:
    »Erinnert ihr euch, dass ich euch erzählt habe, die Handschrift sei beim Einbau einer Gefriertruhe gefunden worden. Darüber hat Blasius mich informiert. Was er mir allerdings bis heute Nachmittag verschwiegen hatte, ist, dass bei den Stemmarbeiten nicht nur das Pergament, sondern auch ein Geheimgang entdeckt worden ist.«
    »Der direkt hinauf in den Westpalas führt.« Jenny war jetzt nicht mehr zu bremsen und fuhr gleich fort: »Hätte ich mir doch denken können. Francesca hat mir erzählt, dass in dem Verlies, das jetzt als Küchenlager genutzt wird, früher ein Weinkeller war. Da haben sich die Burgherren wohl selbst so manches Fläschchen geholt, wenn ihnen danach gelüstete.« Jenny war von der Vorstellung so begeistert, dass sie vor sich hin schmunzelte. Ihre gute Laune wurde allerdings jäh von Lenz unterbrochen:
    »Hast du also mehr gewusst als wir. Bist du die Hauptverdächtige.«
    Das Augenzwinkern, mit dem er seine Worte begleitet hatte, erzielte nicht die gewünschte Wirkung.
    »So einen Schwachsinn muss ich mir nicht anhören!« Empört sprang Jenny auf und stürzte mit einem großen Schritt über seine ausgestreckten Beine in Richtung Tür. Doch bevor sie diese aufreißen konnte, was sie zweifellos vorhatte, wurde die Tür nach innen geöffnet. Jenny konnte gerade noch zurückweichen, als Tina auch schon hereinstolperte.
    »Tschuldigung, mir wollt’n nur wegen einem Buch schau’n.«
    Die Studentin fuhr sich ein wenig verlegen mit der Hand durch die blonde Mähne und trat noch einen Schritt weiter in den Raum. Hinter ihr standen Lukas und Mordred, der erste wie immer ernst und unergründlich, der zweite sichtlich amüsiert.
    Erneut seufzend erhob sich Arthur. Langsam bekam er das Gefühl, als hätte er einen Sack voller Flöhe zu hüten. Eine Aufgabe, bei der ihm Jenny und Lenz in ihrer augenblicklichen Befindlichkeit keine große Hilfe zu sein schienen. Er musste jetzt rasch handeln, bevor ihm die Situation endgültig entglitt.
    »Wenn ihr schon hier seid, dann kommt gleich herein und setzt euch.« Arthur deutete auf die noch freien Sessel. »Und du Lenz«, um Autorität bemüht fixierte er jetzt den Assistenten, »sag bitte Frau Schmied-Schmiedhausen Bescheid, sie möge sich ebenfalls zu uns bemühen. Ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen.«
    Arthur hatte kaum zu Ende gesprochen, als plötzlich wieder ein Schwindelgefühl von ihm Besitz ergriff. Rasch ging er zum Fenster und öffnete es. Das Gewitter war weitergezogen. Kühle, frische Luft strömte in den Raum.
     
    *
     
    »Der Geheimgang wirft ein neues Licht auf die Sache. Jeder hätte ihn an dem Abend benutzen können, auch wenn er von dessen Existenz wohl nur rein zufällig erfahren hat. Die offene Tür zum Verlies war verlockend. Gut vorstellbar, dass jemand zunächst nur aus Neugierde hinuntergeklettert ist und dabei den Geheimgang entdeckte. Von dort war es dann nicht mehr weit in den Saal der Liebespaare und zur Handschrift. Gute zehn Minuten wird es aber schon gedauert haben, bis man wieder zurück in der Schänke war. Wäre es uns andern aufgefallen, wenn jemand so lange zum Besuch der Toilette im

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