Burgfrieden
den beiden wohl ein Paar werden würde? Sie hatte da so einen Verdacht, der war ihr gleich gekommen, als sie die zwei das erste Mal gesehen hatte.
»Gut Blasius, dann sind wir uns einig. Heute Abend also.« Bei den letzten Worten des Professors war Francesca so rasch es ihre vom langen Stehen steif gewordenen Knie zuließen an ihren Schreibtisch zurückgekehrt. Sie hatte genug gehört.
*
Sie hatten etwa zwei Drittel ihres Weges entlang der Oswaldpromenade bewältigt, als Jennys Handy klingelte. Arthur war dran. Er habe schon ein paarmal versucht, sie und Lenz zu erreichen, aber keiner hätte sich gemeldet.
»Wir waren am Ritten und hatten wohl nicht immer Empfang.« In kurzen Worten schilderte Jenny dem Professor, wie ihre Suche in der Dominikanerkirche verlaufen war, was sie auf den Ritten geführt hatte und wie sie schließlich Dank des Schlüssels von Lenz’ Schwester in der St. Magdalena Kirche gelandet waren.
»Und, was habt ihr dort gefunden?« Jenny war sich nicht sicher, ob das Knistern in ihrem Apparat auf Arthurs Anspannung zurückzuführen war oder bereits von einem weiteren nahenden Funkloch kündete. Trotz der Gefahr, dass das Gespräch bald zu Ende sein könnte, holte sie noch einmal tief Luft, bevor sie antwortete.
»Nichts. Wir haben nichts gefunden.« Sie wollte noch erklären, dass Lenz’ Schwester zufolge niemand ohne deren Zutun die Kirche betreten könne und dass diese das Ganze für einen schlechten Scherz halte. Doch Arthur sprach bereits weiter:
»So etwas habe ich befürchtet. Kommt so rasch ihr könnt zurück in die Villa. Blasius Botsch hat vor …« Sie konnte nicht mehr verstehen, was der Burgdirektor vorhatte. Die Verbindung war abgebrochen.
Jenny drückte den Beenden-Button auf ihrem Mobiltelefon. Als sie aufsah, stand Lenz vor ihr und musterte sie aufmerksam.
»Arthur möchte, dass wir sofort zurückkommen. Botsch scheint irgendetwas …« Diesmal ließ Lenz Jenny nicht ausreden.
»Müssen wir zuerst etwas besprechen. Ist jetzt wichtiger.« Immer noch sah er sie eindringlich an. Jetzt legte er sanft die Hand auf ihren Oberarm: »Bitte.« Er hatte das Wort kaum ausgesprochen, als fernes Donnergrollen sie beide hochschrecken ließ. »Scheint es mir, kommt ein Gewitter. Müssen wir uns beeilen.«
Jennys Knie wurden wieder weich. Aber weder die Erschöpfung, die sie nun immer stärker in den Knochen spürte, noch die Angst vor dem Unwetter waren schuld daran. Es war das Bedauern in Lenz’ Blick gewesen, das diese Reaktion in ihr ausgelöst hatte.
Wieder zerriss ein Donnerschlag die Stille. Jenny schloss ihre Fäuste um die Lenkstange ihres Fahrrades und folgte Lenz, der sich schon in Bewegung gesetzt hatte. Was immer er auf dem Herzen hatte: Sie würden später reden müssen. Für das Stück Weg, das noch vor ihnen lag, benötigten sie volle Konzentration.
Elf
In der Bibliothek der Villa Wasserschloss schritt Professor Kammelbach den Raum noch einmal der Länge nach ab. Ganz bewusst zwang er sich dazu, Ruhe zu bewahren. Aufregung tat ihm in letzter Zeit gar nicht gut, das hatte er auf dieser Reise bereits deutlich zu spüren bekommen. Jetzt stand er allerdings kurz davor, die Geduld zu verlieren. Er hatte Jenny und Lenz eindringlich zur Eile gemahnt. Dass der kaputte Reifen ihre Rückkehr verzögert hatte, konnte er ihnen nicht anlasten. Immerhin hatte Jenny, sobald sie wieder Empfang hatte, kurz angerufen und ihn über die Sachlage in Kenntnis gesetzt.
Ein weiterer Blick aus dem Fenster überzeugte Arthur aber davon, dass das, womit sie sich jetzt beschäftigten, durchaus hätte warten können: Lenz hockte mit gekreuzten Beinen vor Jenny am Boden und tastete den Radschlauch ab, den er in beiden Händen hielt. Als wenn das nicht Zeit gehabt hätte.
Arthur seufzte und wanderte weiter durch den Raum. Sein Assistent führte sich manchmal schon recht kindisch auf. Jetzt hatte er Jenny, die zwar manchmal zu voreiligen Schlüssen neigte, in der Regel aber sehr vernünftig war, offenbar auch angesteckt. Es war Arthur wirklich unbegreiflich, wozu die beiden jetzt noch das Rad benötigten. Spätestens morgen früh war alles vorbei. So oder so.
In dem Moment klopfte es, und schon polterten Lenz und Jenny herein. Sie schienen über irgendetwas sehr erregt. Den verschwörerischen Blicken, die sie sich zuwarfen, entnahm er, dass es sich um ein Geheimnis handelte, das zu teilen sie sich entschlossen hatten.
Arthur atmete noch einmal tief ein und aus. Es war ihm
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