Burke 3 - Bluebelle
stupide Augen. Sie stellte dem Kellner serienweise komplizierte Fragen, wie das Essen zubereitet würde. Er beantwortete jede Frage mit derselben kantonesischen Floskel, die er runterbetete wie eine Speisekarte mit einem einzigen Gericht drauf. So ging das ein paar Minuten lang, bis Mama von ihrem Stuhl vorn bei der Registrierkasse stieg und zu ihnen hinging. Sie trug ein flaschengrünes Seidenkleid, das bis hoch zum Mandarinkragen eng geschnitten war und von der Taille lose nach unten wallte. Das Haar hatte sie zu einem glänzenden Dutt nach hinten gestriegelt, das breitflächige Gesicht war ungeschminkt.
Nur ein Blödmann würde versuchen, ihr Alter zu schätzen; nur ein Blödmann mit Selbstmordabsichten würde sie fragen.
Der Kellner trat beiseite, als sie nahte. Höflich verbeugte sie sich vor der Frau und ihrem Begleiter.
»Sie hab Frage?«
»Aber gewiß. Ich wollte von diesem Herrn wissen, ob Sie bei der Zubereitung Ihres Essens Glutamat verwenden. Unsere Diät erlaubt ...«
Mama fiel ihr ins Wort. »Oh, ja. Viel Glutamat. Nix Problem.«
»Sie verstehen mich nicht. Wir möchten keinerlei Geschmacksverstärker in unserem Essen. Glutamat verursacht ...«
»Glutamat in alle hier. Suppe, Gemüse, Fleisch. Spezial Zeug.
Viel Glutamat.«
Die Frau seufzte verzweifelt. »Können Sie denn keinerlei Gerichte ohne Glutamat zubereiten?«
»Warum Sie das wolle? Glutamat in alle. Gut für Sie. Mach Ihr Blut hübsch dünn.«
Die Frau schaute ihre Verabredung mit gequälter Miene auf dem verhärmten Gesicht an. Ich zündete mir eine Zigarette an und blies den Rauch in ihre Richtung.
»Ich nehme doch an, Sie haben einen Nichtraucherbereich?«
»Sie woll Zigarette?« fragte Mama unschuldig.
»Nein. Wir möchten keine Zigaretten. Und wir möchten kein Glutamat. Ist das so schwer zu verstehen?«
Ihre Verabredung fühlte sich sichtlich unwohl, blieb aber ruhig.
»Jeder rauch hier. Sogar Köche rauch, okay? Viel Glutamat. Kein American Express.« Lächelnd blickte Mama sie an. »Nich für Sie, richtig?«
»Aber gewißlich nicht«, sagte die Frau und stieß den Stuhl zurück. »Komm, Robbie«, sagte sie zum Schaf.
»Ein schön Tag«, wünschte ihr Mama. Während sie rasch den Tisch abwischte, sah sie zu, wie die Frau und das Schaf aus der Vordertür gingen. Lächelnd blickte sie sich in ihrem leeren Restaurant um. Das Geschäft lief gut.
Ich rutschte aus der Nische, verbeugte mich vor Mama, als sie nahte. Terry sprang mit offenen Armen zu ihr hin. Mama verschränkte die Hände in der Taille, verbeugte sich vor dem Bengel.
Das stoppte ihn, als wäre er gegen eine Wand gerannt, sein Gesicht völlig verwirrt.
»Ruhig. Beweg langsam, okay?« Sie lächelte zu ihm runter.
»Ich wollte doch bloß ...«
»Du will Mama küssen?«
»Sicher!«
»Du sieh Burke küss Mama?«
»Nein ...«
Mamas Gesicht war ruhig. Gesetzt. »Mama küß Babys, okay?
Nich küß Mann.«
Terry starrte ihr ins Gesicht, sann drüber nach. Wußte ihrem Ton nach, daß er keine Angst zu haben brauchte. »Ich bin noch kein Mann«, sagte er.
»Was denn?«
Hilfesuchend blickte er zu mir. Ich blies Rauch aus der Nase. Ich kannte die Antwort nicht. Er probierte es auf eigene Faust. »Ein Junge?«
»Nur zwei Stück«, sagte Mama. »Baby oder Mann. Nich mehr Baby, Zeit, Mann zu sein.«
»Aber ich bin kein Mann, bevor ich dreizehn bin.«
»Wer sag das?«
»Der Maulwurf.«
Mama linste rüber zu mir. »Bar Mitzvah«, erklärte ich ihr, »’ne jüdische Zeremonie.«
»Gut. Nich offiziel Mann, bevor dreizehn, richtig?«
»Richtig«, sagte Terry.
»Fang jetz an«, sagte Mama und verbeugte sich erneut vor ihm.
Fall abgeschlossen.
Terry verbeugte sich.
Mama setzte sich mir gegenüber. Terry wartete, sah daß keine weiteren Instruktionen zu erwarten waren, setzte sich ebenfalls.
Mama sagte etwas zu dem Kellner. Er verschwand.
»Erst Suppe, okay?«
»Kann ich Bratreis haben?« wollte der Bengel wissen.
»Erst Suppe«, sagte Mama.
Der Kellner brachte eine dampfende Terrine mit Mamas Sauerscharfsuppe. Drei kleine Porzellanschalen. Mama bediente Terry zuerst, dann mich. Dann sich. Ich drückte meinen Löffel auf das in der dunklen Brühe schwimmende Gemüse, lud erst die Flüssigkeit auf, hielt sie über die Schale und ließ sie abkühlen. Ich kostete davon.
»Perfekt«, sagte ich. Es war die mindeste akzeptable Erwiderung.
Terry stieß den Löffel zu tief rein, häufte ihn voller Gemüse. Vorsichtig drehte er den Löffel um und leerte ihn
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