Burnout vorbeugen und heilen
nach und nach fallen lassen. Je nachdem wie stark die Erfahrung ausgeprägt ist, lassen sich Ersatzgefühle mit oder ohne professionelle Hilfe auflösen.
Es folgen nun noch einige Anhaltspunkte zur Unterscheidung von ursprünglichen Gefühlen von den Ersatzgefühlen: Ursprüngliche Gefühle „sind unmittelbare Reaktionen auf innere oder äußere Reize. Sie werden empfunden, als Sinneseindrücke aufgenommen und sind nach einer gewissen Zeit zu Ende. Sie werden nicht wiedergekäut und ständig von Neuem hervorgeholt“ (English 1982, S.119).
Ursprüngliche Gefühle sind [17]
einfach,
schlicht,
von relativ kurzer Dauer
und wechseln sich regelmäßig ab.
„Ersatzgefühle sind ... daran erkennbar (oder: werden dadurch sichtbar), dass sie nicht auf das Hier und Jetzt bezogene, passende Gefühle darstellen, sondern durch einen Auslöser in der Hier-und-Jetzt-Situation wird ein früher gelernter Vorgang (oder Ich-Zustand) aktiviert und im Hier und Jetzt ausgelebt; er führt dabei zu keiner passenden Problemlösung“ (Schneider 1997, S. 74).
Ersatzgefühle und -Verhaltensweisen
passen (rein logisch-denkerisch) nicht in die Situation,
fühlen sich unangenehm an,
dauern meist länger,
führen nach ihrem Empfinden oder ihrem Ausdruck zu keiner wirklichen Befriedigung,
beinhalten eine innere Bestätigung einer eigenen (Skript [18] )-gelernten und einschränkenden Grundhaltung zu sich selbst, zu anderen und zur Welt oder zum Leben im Allgemeinen.
Das Prinzip des Ersatzes gilt für alle bislang aufgelisteten Gefühlskategorien und für alle, die noch folgen. Dieses Prinzip gilt zudem auch für unsere weiteren menschlichen Reaktions- und Ausdrucksformen. Wenn wir einem Gefühl begegnen, können wir uns fragen, ob es sich um ein ursprüngliches Gefühl oder ein Ersatzgefühl handelt. Handelt es sich um ein Ersatzgefühl, stellt sich die Frage, welche ursprünglichen Gefühle oder gar Bedürfnisse darunterliegen (für diese Frage stehen die Pfeile in Abb. 3-12 ).
3.14.5 Komplexe Gefühle
Als komplexe Gefühle bezeichne ich facettenreiche Gefühle wie Liebe, Eifersucht, Enttäuschung, Ohnmacht. Sie setzen sich aus Grundbedürfnissen und Grundgefühlen zusammen. Fühlt jemand z. B. Eifersucht, so ist er im Kontakt mit seinem Bedürfnis nach Zuwendung und hat Angst, denjenigen zu verlieren, von dem er sich die Zuwendung erwünscht. Wenn jemand von Liebe spricht, meint er Zuwendung in Kombination mit anderen Grundgefühlen.
Gerade beim Thema Liebe wird deutlich, dass wir im Laufe des Lebens bestimmte Vorstellungen über Gefühle entwickelt haben; wir sehen sie auf eine ganz bestimmte Art und definieren sie für uns. Manchmal frage ich einen Klienten, wenn er von Liebe spricht, was er in dieser konkreten Situation genau damit meint. Es ist hochinteressant und für den Klienten aufschlussreich, wenn ihm durch meine Frage deutlich wird, welche Bedürfnisse er hat und welche Gefühle er in einer Beziehung ausleben möchte.
Enttäuschung – ein Schlüsselgefühl bei Burnout
An dieser Stelle möchte ich auf das Gefühl der Enttäuschung näher eingehen, denn es spielt in Burnout-Situationen eine wichtige Rolle: Mit Enttäuschung reagieren wir, wenn wir begreifen, dass wir ein gestecktes Ziel nicht erreicht haben oder nicht erreichen werden, wenn Dinge nicht so eintreten, wie wir sie uns vorgestellt haben. Im ersten Moment der Enttäuschung empfinden wir Wut und Angst. Wenn wir den Verlust zulassen, durchlaufen wir den weiter oben beschriebenen Trauerprozess und sind am Ende enttäuscht: Wir gestehen uns ein, dass wir uns getäuscht haben. Oft gestehen sich Menschen im Burnout-Prozess eine Enttäuschung nicht ein und leiden still, ohne zu wissen, warum. Wenn ihnen die Enttäuschung bewusst wird und sie sich diese eingestehen, sind sie zwar zunächst ernüchtert, später jedoch erleichtert.
Mit der Enttäuschung sind sie voll in der Realität angekommen. Zu einem vitalen, natürlichen Leben gehört es, dass wir Fantasien und Ideen entwickeln, Ideale anstreben, uns begeistern. Darin zeigt sich unsere Kreativität. Wenn wir ein Ideal nicht erreichen und scheitern, setzt die Enttäuschung ein. Lassen wir sie zu, justieren wir uns an der Realität, sortieren uns sozusagen neu ein. Wir lassen unseren Geist wieder „arbeiten“, entwickeln Fantasien und gehen weiter. So entstehen lebendige Prozesse. Das evolutionäre Grundprinzip lautet Versuch und Irrtum. Wichtig erscheint mir dabei, dass wir irgendwann begreifen, dass Ziele und Ideale
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