Burnout vorbeugen und heilen
führen, die dem Betroffenen später gar nicht mehr oder nur andeutungsweise bewusst sind. In bestimmten Situationen wird ein Verhalten „automatisch“ wiederholt, was meistens als innerer Zwang erlebt wird, verbunden mit dem Gefühl, sie könnten gar nicht anders handeln. Sprachlich drückt sich dieser Prozess folgendermaßen aus [21] :
„Jetzt ist mir das schon wieder passiert.“
„Immer (wieder) mache ich ...“
„Beinahe wäre / hätte ich ... / hätten andere ...“
„Erst wenn ich ..., dann ...“
„Nie / mals (bekomme ich das, schaffe ich das, machen andere ...“
„Dann kommt aber etwas nach ...“
Was ursprünglich eine Lösung war, ist jetzt zum Problem geworden. Warum? Schauen wir uns dafür Menschen an, die sich wohlfühlen. Wir werden feststellen, dass sie auch in schwierigen Situationen nicht einfach gewohnte Verhaltensweisen abspulen, sondern passend zur Situation eine neue Verhaltensweise aktiv schaffen. Dabei können sie sehr wohl auf Erfahrungen zurückgreifen, kreieren aber immer eine Lösung, die jetzt passt, die anders ist als eine frühere. Sie lösen sich also von der Geschichte.
Betrachten Sie nun doch einmal eine Situation, in der Sie sich richtig gut gefühlt haben: Wie kam es, dass Sie sich gut gefühlt haben? Was haben Sie in genau dieser Situation neu oder anders gemacht? Was haben Sie weiterentwickelt?
Genau genommen bringen wir uns jedes Mal in Schwierigkeiten, wenn wir althergebrachte Strategien immer nur wiederholen oder zwanghaft an etwas festhalten. Wir sind dann quasi in einer indischen Affenfalle gefangen. Was ist eine indische Affenfalle? In eine Kokosnuss wird unten ein Loch gesägt, das so groß ist, dass ein Affe mit seiner Hand hineinfassen kann. Im oberen Teil der Kokosnuss wird Reis eingebracht. Wenn der Affe nun hineinfasst und den Reis in der Hand festhält, hängt er fest und kann sich nicht mehr befreien. Nur wenn er loslässt, kommt er wieder frei.
Die Kunst des Lebens und Liebens besteht darin, die Vergangenheit zu würdigen, sie hinter sich zu lassen und sich – die Zukunft ahnend – jede Sekunde wieder neu zu erschaffen.
„Wie vor Jahr und Tag, liebe ich dich doch,
Vielleicht weiser nur und bewusster noch,
Und noch immerfort ist ein Tag ohne dich
Ein verlor’ner Tag, verlor’ne Zeit ...“
(Reinhard Mey)
Fassen wir zusammen: Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens in für sie schwierigen Situationen sehr kreative Lösungen. Üben sie diese wiederholt und längerfristig ein, können sie diese Lösungen in Stresssituationen wieder abrufen. Sobald sie in vergleichbaren neuen Situationen diese früher hilfreichen Lösungen als Automatismen aktivieren, werden sie für sie jedoch zum Problem, da die aktuelle Situation nie genauso ist wie die alte und die alte Lösung nie genau passt.
Meist aktivieren Menschen solche alten Automatismen und Gewohnheitsmuster unbewusst dann, wenn sie sich in Bedürfnismangelsituationen gebracht haben und in schwierigen äußeren oder inneren Stress- oder Disstresssituationen befinden. In diesen Situationen springen alte Lösungsmuster förmlich an, wie durch eine Elektrode, die das Gehirn reizt, veranlasst (Berne 1983).
Auflösen lassen sich die Automatismen dadurch, dass
man sie erkennt,
ihre Bedeutung emotional und geistig erfasst,
sie als kreative Lösungs- und Überlebensstrategien würdigt
und damit die eigene Leistung aus der Geschichte würdigt
und lernt, jede Situation jetzt aktiv (neu) zu gestalten,
das Prinzip der kreativen Selbstschöpfung einübt.
4.3 Beziehung: Verbundenheit und gleichzeitige Eigenständigkeit
Schauen wir uns an, wie sich die Befriedigung von Bedürfnissen im Laufe des menschlichen Lebens – vom Säugling bis zum alten Menschen – ausbildet und wie sich Gefühle und Verhalten entwickeln, dann zeigen sich zwei Themen, zwei Entwicklungsfäden, die sich nicht voneinander trennen lassen und die für eine erfolgreiche Beziehungsgestaltung ausschlaggebend sind: die Verbundenheit bzw. Bindung und Eigenständigkeit in einer Verbindung [22] . Poetisch würden wir das wohl das Miteinander von Liebe und Freiheit nennen. Dieses Miteinander gilt für die Beziehung zu sich selbst, zum eigenen Organismus (intrapersonal), für die Beziehung zu anderen Menschen (interpersonal) und für die Beziehung zur Umgebung und der Welt, in der man lebt (existenziell).
Verbundenheit und Eigenständigkeit laufen nebeneinander her und beeinflussen sich wechselseitig. Verbindung stellen wir her, indem
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