Burnout vorbeugen und heilen
musste, wird später versuchen, Demütigungen zu vermeiden, indem er sich selbst und anderen nichts mehr eingesteht. Diese Menschen bleiben aber in der Demütigung stecken oder in einer Selbstgerechtigkeit, die nichts anderes als eine kaschierte Form der Demütigung ist. Sie schaffen es nicht, sich ganz auf sich, einen Beziehungspartner und die Welt einzulassen.
Wie aber können wir aus dieser Machtdynamik aussteigen? Indem wir Einfluss nehmen und sagen, was wir möchten und was nicht, und die Dinge aktiv in die gewünschte Richtung bewegen. Und indem wir uns einlassen, was bedeuten kann: zu dem zu stehen, was ist und war; etwas zugeben, eingestehen, zulassen, lassen, lassen lassen, loslassen. Einfluss nehmen und sich einlassen stellen die zwei (miteinander verbundenen) Zügel der Macht dar.
Abbildung 4-4: Die zwei Zügel der Macht: Einfluss nehmen und sich einlassen (© Schneider 2013)
Übung
Umgang mit Macht
Stellen Sie sich jemanden innerlich vor, von dem Sie sich gedrängt oder gezwungen fühlen, und sagen in Gedanken zu ihm oder zu ihr:
„Du hast nur so viel Macht über mich, wie ich dir gebe!“
Oder: „Du hast nur so viel Einfluss auf mich, wie ich dir gebe!“
Stellen Sie sich jemanden, den Sie drängen oder zwingen wollen, innerlich vor und sagen in Gedanken zu ihm oder zu ihr:
„Ich habe nur so viel Macht über dich, wie du mir gibst!“
Oder: „Ich habe nur so viel Einfluss auf dich, wie du mir gibst!“
Achten Sie darauf, was Sie empfinden, fühlen, denken und was sich in Ihnen entwickelt. Wie verändert sich:
Ihr Körpergefühl?
Ihre Körperhaltung?
Ihre Gestik?
Ihre Mimik?
Ihre innere Haltung?
Wie fühlen Sie sich?
Was denken Sie über sich?
Was denken Sie über die vorgestellte Person?
Was denken Sie mit der Erfahrung dieser Übung über andere Menschen, mit denen Sie in Beziehung stehen?
Für eine befriedigende Beziehungsgestaltung ist es aus meiner Sicht wesentlich, von Situation zu Situation für sich selbst
herauszufinden, was man möchte und was man nicht möchte,
mitzuteilen, was man möchte und was man nicht möchte,
Ja zu dem zu sagen, was für einen stimmt,
Nein zu dem zu sagen, was für einen nicht stimmt,
darüber im Dialog zu bleiben und dies miteinander auszumachen
und so miteinander eine gute Streitkultur zu entwickeln.
Literaturempfehlung:
George Bach: Streiten verbindet
4.4 Es ist wichtig, sich abzugrenzen
Schilder mit „Bitte nicht stören!“, „Mittagspause!“ oder „Bin im Garten!“, „Bin mal weg!“, „Bin bei meiner Oma!“, „Bin mit meiner Frau ausgegangen!“, „Bin im Weiterbildungsseminar!“, „Bin beim Sport!“, „Bin bei meiner Freundin!“, „Bin im Chor!“, „Bin mal dort, wo der Kaiser zu Fuß hingeht!“, „Bin frische Luft schnappen!“ sieht man leider immer seltener oder gar nicht mehr. Andere unsichtbare Schilder hingegen lassen die Grenzen verschwimmen: „Meine Tür steht immer offen!“, „Ich bin jederzeit verfügbar!“, „Du kannst mich jederzeit über Handy erreichen!“ Viele Menschen meinen, das gehöre zum guten Geschäftston. Die Frage ist nur, was machen wir damit?
Einer meiner Klienten erzählte mir, dass er die Tür zu seinem Büro, die bis vor Kurzem immer und jederzeit für jedermann offen gestanden hatte, inzwischen geschlossen habe. Klopfe nun jemand an, unterbreche er die Arbeit, setze sich ganz bewusst in seinem Stuhl zurück und rufe dann „Herein!“, innerlich gesammelt und bereit, auch Nein zu sagen, wenn jemand von ihm etwas wolle, was für ihn und die Situation nicht passe. Auf diese Art und Weise habe er sein ganzes Arbeitsfeld neu sortiert und mache inzwischen das, was wirklich zu seinem auch mit dem Arbeitgeber so definierten Arbeitsgebiet gehöre. Vorher habe er für viele andere vieles gemacht, was jetzt im Nachhinein gesehen überhaupt nicht zu seinem Arbeitsgebiet gehört hatte. Und er habe sich dabei in ein Burnout geschaufelt. Jetzt war ihm klar, dass er sich den Stress selbst gemacht hatte. Er hatte nicht Nein gesagt und auch Dinge viel zu eilfertig gemacht, nur weil jemand gesagt habe, das müsste man machen. Heute mache er Dinge nach genauer Überlegung und nach Absprachen. Er könne jetzt hinschauen, abwägen, ansprechen und absprechen, wer für was zuständig und was von wem zu erledigen sei.
Literaturempfehlung:
Sigrid Engelbrecht: Lass dich nicht vereinnahmen.
4.5 Was bestimmt unser Handeln?
Unser Handeln lässt sich in vier wesentlichen Grundschritten darstellen
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