Burnout vorbeugen und heilen
alleine bewerkstelligen, in der Regel brauchen wir dafür aber andere Menschen und Lebewesen, denen wir uns öffnen und mit denen wir uns austauschen und uns so Neues erschließen. Wenn wir uns entschieden haben, etwas zu lernen, tun wir das mit genau dieser Geisteshaltung.
Auch was die Einschätzung anbelangt verhalten sich Menschen häufig selektiv. Sie begegnen sich und der Welt in der Regel mit Vorurteilen, festen Glaubenssätzen, Denkgewohnheiten und einer stark kanalisierten Fantasie. Aus ihrer Lebensgeschichte heraus haben Sie Urteile und Deutungen entwickelt. Um erfolgreich zu sein, ist es jedoch nötig, seine Vorurteile regelmäßig zu überprüfen und zu neuen, für eine aktuelle Situation passenden oder veränderten Einschätzungen zu gelangen. Ständig aufs Neue durchlaufen solche Menschen den Vorgang einer Urteilsbildung (ausführlich dazu: Bächtold & Supersaxo 2005). Da der Begriff Urteil sehr stark mit Gerichtsbarkeit und dadurch oft negativ mit Bestrafung belegt ist, verwende ich lieber die Begriffe „einschätzen“ oder „Einschätzung“. Die Begriffe deuten, Deutung und Bedeutung, interpretieren und Interpretation sind fast deckungsgleiche Sprachbegriffe für diesen Vorgang.
Genau wie Einschätzung erfolgen auch Handlungen häufig aufgrund alter Erfahrungen. Wir erinnern uns an ähnliche Situationen und wiederholen – oft unbewusst – etwas, das wir früher (immer) getan haben. Da solche unbewusst oder unüberlegt wiederholten Handlungen nicht eine aktuelle, umfassende Wahrnehmung der neuen Situation berücksichtigen, können sie jedoch nicht lösungsorientiert sein und führen in der Regel zu Schwierigkeiten. Erfolgreiches Handeln macht aus, dass wir uns von Sekunde zu Sekunde neue Wahrnehmungen, Einschätzungen und Handlungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt und in der Zukunft eröffnen; dass wir alle unsere Sinne benutzen, um wahrzunehmen, zu einer neuen Eischätzung gelangen und entsprechend der gegenwärtigen Situation handeln. Dabei können wir uns sehr wohl früherer Erfahrungen bedienen, sie als Ansätze, als Teillösungen oder Rohlinge verwenden. In der jeweils aktuellen Situation jedoch müssen wir immer die ersten beiden Schritte, Wahrnehmen und Einschätzen, sorgfältig durchlaufen und so zu passenden neuen Lösungen bzw. Handlungen finden. Dies können auch Abwandlungen alter Lösungen sein.
Denken Sie einmal an Ihre tägliche Arbeit, an das, was sie regelmäßig tun: Wann sind Sie erfolgreich? Ich vermute mal: Immer dann, wenn Sie in der Lage sind, entsprechend der neuen gegenwärtigen Situation kleine aktuelle Anpassungen vorzunehmen.
Innehalten
Wie schaffen wir es, wirklich mit allen Sinnen wahrzunehmen, ohne kopflos einfach loszurennen? Indem wir innehalten ( siehe Abb. 4-6 ). Mit Innehalten meine ich den bewussten Akt, Zeit und Raum dafür zu schaffen, sich dem Wahrnehmen und Einschätzen zu öffnen, um sich dann bewusst für eine Handlung zu entscheiden.
Vielleicht kennen Sie aus dem Sport (Basketball, Handball) die Möglichkeit des „Time-Out“. Beide Mannschaften haben die Möglichkeit, sich pro Spielabschnitt eine Auszeit zu nehmen. Diese nehmen sie sich, wenn sie „keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen“, „unterzugehen drohen“, „schlecht drauf sind“, wenn „nichts mehr geht“, „der Gegner sie im Moment überrollt“. Sie nehmen sich die Auszeit, um erfolgreich zu sein. Sie verschnaufen, atmen durch, besinnen sich, sammeln sich, stellen sich neu auf, stellen sich neu ein, richten sich anders aus, besinnen sich auf ihre Stärken. Dafür gibt der Trainer ein t-förmiges Zeichen. Mit der linken Hand zeigt er auf Brusthöhe vor sich eine waagrechte Fläche und in einem rechten Winkel dazu senkrecht mit der rechten Hand mit den Fingerspitzen darunter auf die Handfläche.
In meiner Praxis hat es sich bewährt, mit Klienten das Innehalten und dieses Zeichen visuell und sensorisch einzuüben, sodass sie insbesondere in Stress- und Disstresssituationen einen Anker haben, um innezuhalten. Dann können sie ihren Radar kreisen lassen, hinschauen, hinhören, fühlen, riechen, schmecken (Wahrnehmen), abwägen, einschätzen, sich ein eigenes Urteil bilden; sich Handlungsmöglichkeiten eröffnen und passende auswählen (Einschätzen); schließlich handeln (Handeln) und das Handeln genau nachverfolgen (Überprüfen) und – wenn nützlich – Anpassungen vornehmen.
Abbildung 4-6: Innehalten und die einfache Handlungskaskade (Schneider 2011, Abb. 3) (© Schneider
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