Burnout vorbeugen und heilen
Gegenantreiberverhalten nennen, führt nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. „Auf der anderen Seite vom Pferd heruntergefallen ist auch nicht geritten!“ [30] Dieses „Mach’s-recht“-Gegenantreiberverhalten lässt sich mit dem Motto zusammenfassen „Lieber garstig als ein Niemand!“ (Schmid & Hipp 1998 / 2001, S. 19).
Beispiel: Opfer maßlosen Helfens
Herr A. hatte über viele Jahre hinweg ein Burnout-Syndrom entwickelt. Auffällig war bei ihm, dass er, wo auch immer es sich anbot, anderen Menschen hilfreich zur Seite sprang. Statt in den Urlaub zu fahren, half er seinem Schwager aus der Patsche; statt freie Wochenenden zu genießen, half er dem Nachbarn ein halbes Jahr lang beim Bauen; statt ... Gelegenheiten fanden sich immer.
Ähnlich arbeitete er auch in seiner Firma. Wenn jemand nur andeutete, das oder jenes müsse getan werden, sprang er und tat es, ohne direkt darum gebeten worden zu sein und ohne darüber Absprachen getroffen zu haben. Bei seinen Mitarbeitern und Kunden war er wegen seiner Hilfsbereitschaft sehr beliebt und erntete dafür auch viel Anerkennung. Wenn es irgendwo brannte, er war da und half. Schließlich hatte er die Symptome eines Burnout-Syndroms (nicht körperlich nachvollziehbare Rückenschmerzen, das Gefühl, ausgebrannt zu sein, Zurückgezogenheit, innere Leere) und landete bei mir. Ihm selbst wurde im Laufe des Coachings bewusst, dass er, ohne auf sich selbst und seine Bedürfnisse zu achten immer wieder andere „gerettet“ hatte und dabei selbst zum „Opfer“ seines maßlosen Helfens geworden war.
Wenn jemand in dieser Art „rettet“ [31] , wie es Herr A. festgestellt hatte, „macht er sich einen Kopf für andere“, er denkt in diesem Moment für andere, ohne Absprache, ohne klaren Auftrag, er klärt die Zuständigkeiten nicht. Ohne es in diesem Moment zu wissen, verhält er sich so, als könnten andere nicht selbst für sich denken, fühlen und handeln. Erwartungen und Wünsche abzuklären, eigene Gedanken mitzuteilen und zu überprüfen, ob das, was man selbst meint, tatsächlich auch von den anderen erwartet wird, hilft, aus diesem Antreiber- oder Gegenantreiberverhalten auszusteigen. Interessanterweise handeln Menschen im „Mach’s-recht!“-Antreiber- und Gegenantreiberverhalten auch häufig (ohne es zu wissen) so, als könnte zu einem Zeitpunkt nur einer der Beziehungspartner zu seinem Recht und seinen Bedürfnissen oder Wünschen kommen, entweder der eine oder der andere.
Wenn Sie es jemandem nicht recht machen, handeln Sie nach Ihrer eigenen Wahrnehmung, Einschätzung und Entscheidung und Sie lassen auch dem anderen seine Wahrnehmung, Einschätzung und Entscheidung. Auch oder gerade wenn jemand Ihnen etwas zeigt, z. B. ein Lehrer, wie Sie mit einem Bogen schießen: Sie stellen sich letztendlich so hin, spannen so den Bogen, visieren so das Ziel an, bauen so die Spannung auf, halten diese so, lassen so den Schuss los und genießen so den Abgang, wie es für Sie stimmt. Wenn Sie nach Ihren eigenen Empfindungen und Entscheidungen handeln, fühlen sie sich gut bei sich und wertschätzend mit Ihrem Lehrer verbunden. Wenn Sie diese unterdrücken, fangen Sie an, innerlich oder auch nach außen, mit sich und dem Lehrer trotzig und ärgerlich zu maulen.
Der Ausstieg aus dem Verhalten nach dem Motto „Mach‘s recht!“ gelingt, wenn Menschen wieder lernen, auf sich und andere zu achten; wenn sie lernen, Ja und Nein zu sagen .Wenn sie in Konfliktsituationen (wo verschiedene Bedürfnisse oder Wünsche aufeinandertreffen) auf ihre Bedürfnisse und Gefühle achten, nachdenken, sich mitteilen, sich für ihre Bedürfnisse und Wünsche einsetzen, sich mit den anderen Beteiligten austauschen und schließlich eine Lösung kreieren, in der alle Betroffenen zu dem kommen, was passt. Um aus dem „Mach‘s-recht!“-Muster auszusteigen, hilft langfristig eine fürsorgliche Haltung gegenüber den eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Empfindungen, Gefühlen, Gedanken und Handlungsimpulsen. Diese signalisieren uns, was wir brauchen und wollen, was gerade wichtig und angesagt ist. Wenn diese geklärt sind, gilt es, die Bedürfnisse und Wünsche der jeweiligen Beziehungspersonen zu erfassen. Dies gelingt am besten, indem man nachfragt, was sie wirklich empfinden, fühlen, denken, brauchen, wollen und für wichtig erachten. Ein formelhafter Satz, der diese Art zu handeln zusammenfasst, lautet:
Ich brauche anderen nicht zu helfen, indem ich für sie denke!
Ich helfe anderen,
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