Burnout vorbeugen und heilen
dass auch andere davon profitieren. Menschen sind Wesen, die auf andere bezogen sind, andere brauchen, also auch mit anderen leben wollen. Dieses Miteinander will allerdings auch gelernt sein.
Die meisten von uns sind so erzogen worden, dass wir erst an andere denken, für andere etwas tun. Ohne es zu wissen haben wir gelernt, die beide Seiten – für andere und für uns – als Gegensätze oder Gegeneinander statt als ein Miteinander zu sehen. Tue ich etwas für mich, tue ich es gegen den anderen. Und andersherum: Tue ich etwas für den andern, tue ich es notgedrungen gegen mich. Eine Folge dieser Wirklichkeitskonstruktion ist, dass Menschen, wenn sie etwas für sich wollen, versuchen, andere zu verändern. Weil sie aber nicht bei sich selbst beginnen, scheitern sie kläglich mit diesem Unterfangen.
Wenn ich meine Arbeit als Coach, Berater, Ausbilder oder Psychotherapeut ausübe, so mache ich dies nicht in erster Linie für andere. Ich mache es zuallererst einmal für mich. Ich befriedige damit meinen Wunsch und mein Bedürfnis, in der Welt etwas zu bewerkstelligen, ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt und erfreue mich daran, wenn ich sehe, wie meine Klientinnen und Klienten sich entwickeln und entfalten und ihr Leben genießen. Wenn ich dies gut mache, dann haben auch meine Klienten etwas davon.
Beispiel: Sich selbst und der Familie Gutes tun
Als ich einen Klienten mit drohendem Burnout am Ende der ersten Sitzung fragte, wie es ihm in der Sitzung gegangen sei, sagte er, er sei sehr erleichtert. Er hatte befürchtet, dass ich ihn wegen seines geringen Einsatzes in seiner Familie tadeln würde. Doch nun hatte er etwas ganz anderes erfahren: Statt eines schlechten Gewissens war da nun die Einsicht, dass es zuallererst ihm guttun werde, etwas mit seinen Kindern und seiner Frau zu unternehmen – und davon hätten diese dann auch etwas.
Er hatte davon erzählt, dass er eigentlich auch etwas für seine Familie tun müsste, er diese jedoch vernachlässige. Ich hatte ihn daraufhin einfach nach seinem Befinden gefragt, nach dem, was er gerne täte, wie er sich vorstelle, Vater und Mann zu sein, und hatte ihn – mit dem hier beschriebenen Ansatz – im Gespräch dabei begleitet herauszuarbeiten, wie er sich sein Leben, das Arbeits- und das Privatleben, vorstellt. Am Ende dieses Gespräches fühlte er sich als Mann und Vater ernst genommen und er entwickelte im Laufe eines Jahres sein Berufs- und Privatleben so, dass er sich in beiden Lebensbereichen sehr wohl und erfolgreich fühlte.
Ich nehme an, dass die Überbetonung des Füreinander aus jahrhundertalten staatlichen, kirchlichen und wirtschaftspolitischen Machtinteressen herrührt. Wer Menschen beherrschen will, macht sie von sich abhängig, indem er ihnen solche Wirklichkeitskonstruktionen vermittelt, die Gegensätze schaffen: Kampf und Gegeneinander, eine Einteilung in Gut und Böse. Dann sind die Beherrschten in die so kreierten Kämpfe um ihre tägliche Grundbedürfnisbefriedigung verstrickt und verlieren die Achtung für sich selbst und andere und lassen sich manipulieren. Selbstbewusste, gebildete und selbstsichere Menschen kann man nicht so leicht beherrschen wie Menschen, die nicht gelernt haben, auf sich zu achten, sich selbst und dann auch andere zu achten ( siehe dazu auch Kapitel 3.9 über Zuwendung ).
4.8.5 Abgrenzungs-, Distanzierungsvermögen
Distanziert sich jemand zu stark von sich selbst und / oder anderen, zeigt er zu diesem Zeitpunkt ein „Sei-stark“-Antreiberverhalten ( siehe Abb. 4-21 ). Gerade bei einem Burnout-Syndrom ist eine zu große Distanz zu den eigenen Bedürfnissen wie auch zu den Bedürfnissen anderer ein wesentliches Verhaltensmerkmal. Gelernt haben Menschen dieses Verhalten schon früh als Säuglinge oder Kinder, wenn ihre Bedürfnisse, Gefühle, Empfindungen, Befindlichkeiten oder Schmerzen regelmäßig nicht beachtet, missachtet oder belächelt wurden: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“, „Beiß die Zähne zusammen!“, „Stell dich nicht so an!“
Beispiel:
Eine Familie ist auf der Rückreise aus dem Urlaub. Nach einem hektischen Frühstück fahren sie im Taxi zum Flughafen. Der fünfjährige Sohn sagt, es sei ihm übel, worauf die Eltern sagen, er solle sich nicht so anstellen. „Mir ist aber wirklich übel.“ Darauf die Eltern: „Stell dich nicht so an!“ Mehr unternehmen sie nicht. Schließlich übergibt der Junge sich im Taxi. Das Geschrei ist groß. Die Eltern schimpfen und drohen ihm, ihn nie
Weitere Kostenlose Bücher