Burnout vorbeugen und heilen
wieder in den Urlaub mitzunehmen, wenn er sich so anstellt.
Was ist da abgelaufen? Der Junge wurde nie nach seiner Befindlichkeit gefragt. Die Eltern haben nie Anstalten gemacht herauszufinden, was ihm fehlte, was wirklich los war. Auch bei sich selbst haben die Eltern nicht wahrgenommen, was gut für sie wäre. Sie sind unter Eile und Druck zum Flughafen gehetzt. Für eine ruhige Abreise haben sie sich keine Zeit genommen und haben so die Befindlichkeiten aller Beteiligten vernachlässigt. Wenn sie dieses Verhaltensmuster – Befindlichkeiten nicht zu überprüfen und unüberlegt zu handeln – regelmäßig wiederholen, wird der Junge wahrscheinlich dieses Muster später als Jugendlicher und Erwachsener in Stresssituationen wiederholen.
Überprüfen Sie: Wie sieht es bei Ihnen aus?
Gibt es Situationen, in denen Sie sich nach dem Motto „Sei stark!“ verhalten?
Übergehen Sie das Bedürfnis, morgens in Ruhe aufzustehen, zu frühstücken, zur Toilette zu gehen?
Wie ist es bei Ihnen um Pausen bestellt?
Übergehen Sie Schmerzen und Erkrankungen? Meinen Sie, immer da sein zu müssen, und beißen tapfer die Zähne zusammen, wenn zu viele Überstunden anstehen?
Nehmen Sie Hilfe für sich in Anspruch oder meinen Sie immer alles alleine hinbekommen zu müssen?
Das Gegenantreiberverhalten von „Sei stark!“ besteht in Wehleidigkeit. Wenn ein Kind jammert oder „nängert“, sind das die Ansätze dazu. Verhalten wir uns „wehleidig“, „theatralisch“ oder längerfristig „jammernd“, sind wir nicht wirklich in Kontakt mit den Körperempfindungen und Gefühlen. Wir deuten sie nur an und fühlen uns ihnen hilflos ausgeliefert, finden in dem Moment keinen Weg, mit ihnen gut umzugehen, und zeigen das Gegenantreiberverhalten zu „Sei stark“. „Das Gegenantreiber-Motto des „Sei-stark!“ könnte man auch mit dem Satz zusammenfassen: ,Mit mir könnt ihr’s ja machen!‘“ (Schmid & Hipp 1998 / 2001, S. 19).
Was hilft, aus dem „Sei-stark!“-Antreiber- und Gegenantreiberverhalten auszusteigen? Sich achtsam den eigenen Empfindungen, Bedürfnissen und Gefühlen zuzuwenden. Der Weg dahin geht über Innehalten und Wahrnehmen. Meist kommen Menschen, die sich gerade nach einem „Sei-stark!“-Muster verhalten, erst durch ein direktes Stoppzeichen oder eine direkte Ansprache anderer mitfühlender Menschen an ihre Empfindungen und Gefühle heran: „Was ist los?“ „Was fehlt dir?“ „Was brauchst du?“ „Was fühlst du?“ Oder noch direkter: „Hast du Hunger?“ „Hast du Durst?“ „Musst du zur Toilette?“ „Bist du erschöpft?“ „Bist du müde?“ „Möchtest du Zuwendung?“ „Wo tut es dir weh?“ „Worüber ärgerst du dich?“ „Worüber bist du traurig?“ „Wovor hast du Angst“ „Worüber freust du dich?“ Oder noch direkter: „Lass deinen Ärger raus!“ „Sag, wovor hast du Angst?“ Wenn Menschen lernen, ihre Empfindungen und Gefühle zuzulassen, schaffen sie es, aus diesem Muster auszusteigen und all ihre Sinne für sich selbst einzusetzen. Sie nehmen dann ihre Empfindungen, Bedürfnisse und Gefühle bei sich selbst und bei anderen wahr, nehmen sie ernst und begreifen sie als „Spiegelungen erwachter Potenziale“, als Schlüssel zu Lösungen ( siehe Kapitel 3.14, „Der Ausdruck von Gefühlen“ ).
Wenn Menschen sich im „Sei-stark!“-Antreiberverhalten bewegen, beißen sie die Zähne zusammen und sind „ständig am Machen“. Oder sie ziehen sich zurück, arbeiten im Stillen und bitten nicht um Hilfe, auch wenn sie Hilfe bräuchten. Nicht selten begegne ich im Coaching von Führungskräften diesem Thema, wenn sie fragen, wie sie mit einem Mitarbeiter umgehen könnten, bei dem sie gerade festgestellt haben, dass er seit Monaten Arbeit hortet, die er nicht erledigen konnte. Er habe nie um Hilfe gefragt, habe sich diese „Schwäche“ nicht eingestehen wollen. Wenn sich jemand im „Sei-Stark!“-Muster verhält, fürchtet er sich davor, Schwäche zu zeigen. Dabei macht ihn gerade das ausgeprägte „Sei-stark!“-Verhalten wirklich schwach. Wer hingegen eine Schwäche eingesteht und um Hilfe bittet, dem wird auch geholfen, er lernt etwas dabei und ist im Endeffekt wirklich stark!
Viele Menschen verblüfft es, dass Gefühle zu zeigen sie weiterbringt und ein Zeichen von Stärke ist. Die Begriffe „Stärke“ und „Schwäche“ versehe ich bei einem solchen Verhalten erst einmal mit Anführungszeichen. Dann arbeite ich mit ihnen langsam heraus, was Schwäche und
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