Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
ihr auslieferte, und er machte sich auf den Ausdruck der Vernichtung gefasst, der ihren Blick verdüstern würde. So unausweichlich es auch war, der Entzug ihres Vertrauens würde eine schmerzliche Leere in ihm hinterlassen. Er kannte sie erst vierundzwanzig Stunden, und eigentlich sollte es ihm egal sein. Es sollte ihn nicht weiter kratzen. Doch das tat es.
Da ihm nichts anderes übrig blieb, hielt er ihrem argwöhnischen Blick stand. » Ich besaß ein Video, das belegte, dass er den Mord an einem Polizisten in Auftrag gegeben und ihm beigewohnt hatte. «
Vor langer Zeit hatte sie einmal einen Faustschlag ins Gesicht bekommen, aber diese Worte trafen sie mit derselben ungebremsten Wucht; was sie fühlte, war Verrat und Wut, und ihr war speiübel von dem Schock.
» Lieber Gott. Du warst dabei? Und hast es nicht angezeigt? Ein Mord an einem Polizisten? «
» Er war alles andere als ein Held, Blue. Auch wenn er das Abzeichen trug, er steckte bis über beide Ohren in Korruption und Laster. Drogen und Provisionen waren nur ein Teil davon. Er trieb Mädchenhandel mit Teenagern– manche erst dreizehn, vierzehn Jahre alt. Er und seine Kumpane verdienten sich eine goldene Nase mit den Vergewaltigungen und Misshandlungen von Kindern. Von so etwas ließ selbst Tony die Finger. «
Hätte er versucht, sich rauszureden, Entschuldigungen zu finden, es hätte ihren Zorn nur weiter angestachelt. Aber seine Erklärung war eben das, eine Erklärung, und er brachte sie mit einer desillusionierten Erschöpftheit vor, die ihren Zorn um eine Spur abkühlen ließ.
» Das ist noch lange keine Rechtfertigung. «
» Nein, das ist es nicht. Ich hätte es aber auch nicht beenden können. Hätte ich es versucht, ich wäre nur selbst im Leichenschauhaus gelandet. Der Kerl hatte den Fehler gemacht, eine Russo, eine Cousine von Vince und Gianni, in seine Fänge zu locken. Jedenfalls verschaffte mir das den Ansatzpunkt, der es mir erlaubte, den Pub zu säubern und die Russos auf Distanz zu halten. «
» Und wenn dieses Beweismaterial sie hinter Gitter gebracht hätte? « , stellte sie ihn zur Rede. » Wenn man die Stadt von Gianni und Vince befreit hätte? «
» Dann hätte ein anderer ihren Platz eingenommen. Tony hätte die Macht an sich gerissen oder eine konkurrierende Bande ihren Machtbereich ausgeweitet. Glaub mir, es gibt weit schlimmere Verbrecher als Vince Russo, und einer davon ist Tony. So verquer Vinces Vorstellung von Moral und Ehre auch war, immerhin hatte er eine, und er setzte den Exzessen seiner Familie Grenzen. Abgesehen davon, wem hätte ich das Material denn aushändigen sollen? Die einzigen Polizisten, die ich kannte, kassierten Schutzgelder und waren als Drogenkuriere unterwegs. «
Die Herabsetzung ihrer Kollegen hätte sie wütend gemacht, wäre da nicht diese Emotionslosigkeit in seiner Stimme gewesen.
» Du hast wohl keine sonderlich hohe Meinung von der Polizei? «
» Ich bin nicht vielen begegnet, denen ich trauen konnte, Blue. «
» Traust du mir, Gillespie? «
Er ließ sich viel Zeit mit der Antwort, und sie musste sich zwingen, ruhig zu atmen, als sie versuchte aus dem mitternächtlichen Dunkel seiner Augen etwas herauszulesen.
» Ich glaube nicht, dass es leicht wäre, dich zu korrumpieren « , sagte er schließlich.
» Das ist ja nicht gerade die Jubelarie, auf die ich gehofft hatte « , bemerkte sie mit leichtem Sarkasmus. Aber sie hatte ihm eine Frage gestellt, und er hatte sie beantwortet, und wahrscheinlich sagte seine Offenheit mehr über das Vertrauen, das er zu ihr hatte, als der Inhalt seiner Worte.
» Was für Informationen besaß Marci? « , fragte sie und kehrte damit zu den tatsächlichen Problemen zurück. » Und warum waren sie so gefährlich? «
» Sie glaubte zu wissen, wer der Informant war, der zwei korrupte Kriminalpolizisten verpfiffen hatte, und ging davon aus, deren Komplizen würden bezahlen, wenn sie mit dem Namen herausrückte. Nur wollte sie einfach nicht glauben, dass man auch sie selbst zur Rechenschaft ziehen würde, da sie dem Verräter überhaupt erst die Namen genannt hatte. «
Kris überschlug, was sie bislang wusste, und schoss ins Blaue. » Und der Denunziant, an den sie die Namen weitergegeben hatte– der Informant–, der warst du, richtig? «
Er senkte den Blick in die Tasse, leerte den letzten Schluck und stellte sie neben sich auf die Arbeitsplatte. In dem kurzen Blick, mit dem er sie ansah, lag mehr als nur eine Spur von Trotz, ganz als erwarte er ihre
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