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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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Orgi, wie er von allen genannt wurde, wohnte direkt bei mir um die Ecke. Deshalb chillten wir immer häufiger zusammen, machten Beats und rappten gemeinsam. Damals war das ja alles noch kein Problem. Man schloss sich einfach zu einer Gruppe zusammen und machte sein Ding. So einfach war das. Es war eine spannende Zeit, denn die Berliner Hip-Hop-Szene begann sich gerade komplett neu zu formieren. Es brodelte in allen Ecken.

Mama, ich brauche 3000 Mark
    Einige Monate später stieß ich mit der MPC an meine Grenzen. Ich programmierte meine Beats, alles kein Problem, aber ich konnte sie nicht speichern, nicht aufnehmen. Da ich von diesem ganzen technischen Schnickschnack keine Ahnung hatte, fuhr ich in den großen Musikladen am Prenzlauer Berg. Dort hingen nur Freaks ab, Musiker-Atzen mit Brille und langen Haaren, Studio-Nerds, die sich Tag und Nacht über die neuesten Kompressoren und Sequenzer unterhielten. Und dann spazierte ich da rein. Die Mitarbeiter beachteten mich zuerst überhaupt nicht. Die dachten wohl, ich wäre einer dieser lästigen Kanaken, die eh nichts kaufen würden und nur alles schmutzig machten. Entsprechend wurde ich auch behandelt. Da mir die Verkäufer nicht helfen wollten, schnappte ich mir alle Prospekte, die im Geschäft auslagen, und fuhr wieder nach Hause. Dort bekam ich beim Durchblättern die Antwort auf meine Frage. Ich brauchte ein Mehrspurgerät. Ein Yamaha MD-8 musste es sein.
    Am nächsten Morgen fuhr ich direkt nach dem Aufstehen wieder in den Laden, um mir das Gerät in echt anzusehen. Es war perfekt. Ich ignorierte die bösen Blicke und ging schnurstracks auf einen der Typen zu.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich interessiere mich für das MD-8-Mehrspurgerät von Yamaha«, sagte ich.
    Alles, was ich zurückbekam, war ein abfälliges: »Du?«
    Aha, so war das. Die Kunden wurden hier also geduzt.
    »Ja, ich. Stellen Sie sich das mal vor. Erzählen Sie mir bitte alles, was ich an Informationen benötige.«
    Ich ließ mich von diesen Idioten doch nicht davon abhalten, mir meinen Traum zu erfüllen. Alles, was ich jetzt noch brauchte, war Geld. Zu Hause beim Abendessen kam mir der Geistesblitz.
    »Mama, ich muss dich mal was fragen«, meinte ich beiläufig und schob mir schnell eine Gabel Nudeln in den Mund. Meine Freundin Selina saß neben mir und sagte kein Wort.
    »Ja, was denn?«, fragte meine Mama.
    »Du, es gibt da so ein Gerät, das kostet 3000 Mark. Wenn ich das habe, kann ich damit meine Musik aufnehmen.«
    »Aber mein Bub, so viel Geld habe ich nicht.«
    »Ja, aber schau mal, Mama. Die haben so eine Art Kundenkarte, damit kann man das in Raten abbezahlen. Das ist gar nicht so schlimm«, versuchte ich sie zu überreden.
    Sie ging nicht weiter darauf ein. Wir aßen schweigend zu Ende. Dann brachte ich Selina nach Hause.
    Am nächsten Tag stiefelte meine Mama, ohne mir etwas zu sagen, zu ihrer Bank und ließ sich tatsächlich einen Kredit geben. Ich bekam mein Aufnahmegerät und Mama hatte 3000 Mark Schulden an der Backe.

Beats aus dem Kinderzimmer
    Von heute auf morgen hatte ich ein richtiges Studio in meinem Zimmer. Oder sagen wir so: Man konnte mit einem Mikrofon Musik auf Band bekommen. Das war immerhin ein Grund dafür, warum auf einmal alle Rapper bei mir chillen wollten. Irgendwer brachte immer irgendwen mit und so gab sich die komplette Berliner Hip-Hop-Szene bei mir die Klinke in die Hand: Frauenarzt, King Orgasmus, Die Sekte, Taktloss, Bass Sultan Hengzt, um nur ein paar zu nennen. Jeder rappte über meine Beats. Man muss sich das so vorstellen: Ich machte einen Beat fertig und wer gerade da war und ihn cool fand, dem schenkte ich ihn einfach. Hip-Hop war ja noch kein Geschäft für uns. Das Manko dieser Leute war eben, dass keiner von denen produzieren konnte. Deswegen kamen sie ständig an und brauchten Nachschub. Und ich belieferte sie.
    Meinen ersten Text schrieb ich erst ein Jahr, nachdem ich mit dem Beatmachen angefangen hatte. Vader, Orgi und ich schlossen uns zu einer Gruppe zusammen und wollten unser erstes Mixtape aufnehmen. Zwangsläufig musste ich also einige Rap-Parts beisteuern. Einen Namen hatten wir nicht, aber da wir alle aus Berlin kamen, benannten wir uns nach unserer Telefonvorwahl: 030.
    Ich fühlte mich wie ein kleiner Eminem. Du hattest einen Beat, ein Blatt Papier und konntest darauf schreiben, was du wolltest. Es gab keine Vorgaben. Niemand sagte richtig oder falsch. Diese Freiheit, einfach tun und lassen zu können, was man wollte, war der

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