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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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hatte.
    Beim Arbeitsamt stellten sie mir natürlich die Frage, warum ich gefeuert worden bin. Da sie meine Antwort wohl nicht so cool fanden, forderten sie von meinem ehemaligen Betrieb eine Beurteilung an und mein Meister nannte ihnen die Gründe: Schule geschwänzt, krank gemacht, unentschuldigt gefehlt, bla bla bla. Ich saß mit meiner Sachbearbeiterin in ihrem Büro, sie schaute meine Unterlagen durch und lachte.
    »Was ist denn so lustig?«, wollte ich wissen.
    »Sie bekommen von mir eine Sperre, Herr Ferchichi.«
    »Und jetzt?«, fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollte. Schnell klärte sie mich auf.
    »Wenn man durch Selbstverschulden arbeitslos wird, bekommt man eine Sperre, was dazu führt, dass man die erste Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.«
    »Und wie lange geht das?«
    »Bis zu zwölf Wochen«, sagte sie. »In Ihrem Fall schlage ich sogar die Höchstdauer vor.«
    »Wie bitte? Was ist das denn für eine Scheiße?«, regte ich mich auf.
    »Sie können ja immer noch zurück in Ihren Betrieb gehen«, meinte sie und machte mir demonstrativ klar, dass sie diejenige war, die hier das Sagen hatte. Stempel links, Stempel rechts, der Nächste bitte! Da ich nichts mehr zu verlieren hatte, legte ich mich richtig übertrieben mit ihr an und gab ihr einen kleinen Einblick in mein Schimpfwörter-Archiv. Sie bekam einen roten Kopf und sah mich mit offenem Mund an.
    »Ganz ehrlich«, meinte ich genervt, »wir können diese ganze Angelegenheit auch einfach abkürzen. Gib mir einfach die zwölf Wochen! Ich scheiß eh drauf.«
    Bevor ich vor so einer verbitterten alten Schachtel den Schwanz einzog und im Endeffekt anstatt zwölf Wochen vielleicht nur acht Wochen gesperrt wurde, stand ich lieber zu meiner Meinung und den daraus resultierenden Konsequenzen. Schimpfend verließ ich ihr Büro und ging zurück ins Wartezimmer, wo die halbe Berliner Rap-Welt chillte: Frauenarzt, MC Boogie, King Orgasmus One, und wie diese Typen alle hießen. Die waren ja auch alle arbeitslos.
    »Und?«, fragten die Jungs. »Wie lief’s?«
    »Na, wie schon, Alter. Zwölf Wochen. Aber drauf geschissen!«, antwortete ich.
    Nach mir musste Frauenarzt zu der Ollen. Er wurde für zehn Wochen gesperrt. So lief das eben ab. Das war normal in Berlin. Eigentlich war es mir auch schnuppe, dass ich die vollen zwölf Wochen bekam. Die Sache war nur die, dass ich in diesen drei Monaten eben auch nicht krankenversichert war, was mir schon ein mulmiges Gefühl bereitete. Es musste ja nur irgendein besoffener Vollidiot mit seinem Auto über meinen Fuß fahren. Zum Glück passierte aber nichts.
    Nachdem ich meine Gesellenprüfung bestanden hatte, brach Fler sofort seine Ausbildung ab. Ich meinte zwar noch zu ihm, dass ich es für einen Fehler hielt, aber ich konnte ihn nicht vom Gegenteil überzeugen. Er sah mich, wie ich tun und lassen konnte, was ich wollte – da war die Überwindung für ihn zu groß, jeden Morgen pünktlich um 7 Uhr in der Werkstatt anzutanzen. Ich konnte ihn verstehen, das hatte ich ja auch alles durchgemacht. Mit einem Unterschied: Ich brachte es zu Ende. Leider hatte Fler nicht so einen starken Willen wie ich.

Die Abendschule
    Nachdem ich ein Jahr lang nur herumgehangen hatte, musste sich in meinem Leben etwas ändern. Ich entschloss mich, zur Abendschule zu gehen. Mit einer abgeschlossenen Ausbildung konnte man über den zweiten Bildungsweg sein Abitur nachholen. Ich war offiziell zwar schon bei Aggro Berlin unter Vertrag, aber ich hatte noch nichts veröffentlicht und es war auch keine Verbesserung der Lage in Sicht. Ich wusste nicht, wohin die Reise als Rapper ging, also dachte ich mir, besser ein Abi in der Tasche als gar nichts. So wie Fler wollte ich nicht enden. Ich hatte zwar meine Ausbildung, okay, aber als Maler und Lackierer wollte ich später auf keinen Fall arbeiten. So sah ich mich einfach nicht.
    Ich wollte wirklich, ich meine, ich meldete mich ja freiwillig an der Abendschule an, aber als ich mir am ersten Tag die Leute anschaute, die mit mir das Abi nachholen wollten, verging mir der Spaß ziemlich schnell. In der ersten Unterrichtsstunde merkte ich, wie asozial ich war. Nicht darauf bezogen, irgendwelche Leute zu beschimpfen, sondern asozial in der eigentlichen Bedeutung, sprich nicht sozial. Ich konnte mit anderen Menschen, die ich selbst nicht cool fand, nicht in einem Raum sitzen. Das ging nicht. Diese Leute waren einfach dumm, richtig dumm, und mit dummen Menschen wollte ich nichts zu

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