Bushido
Ecke gibt es zwar noch ein altes Bushido-Bild, sonst sind sie mittlerweile aber fast alle verschwunden. An den S-Bahnstrecken sieht man noch vereinzelte Bushido-Taggs, aber die meisten sind vom Regen verwaschen oder sind übersprüht worden.
Es ist schon eigenartig, aber ich konnte zum Graffiti nie eine tiefere Beziehung entwickeln. Ich kann gar nicht sagen, woran das lag,
es bedeutete mir einfach nichts. Ich bin darin nicht aufgegangen.
Ich fühlte auch nie diese tiefe innere Befriedigung, wie es zum Beispiel bei Vader der Fall war. Zugegeben, es war eine aufregende Zeit, nachts mit N.W.A, Public Enemy und KRS-One im Kopfhörer in den S-Bahn-Stationen zu chillen, vor den Bullen wegzurennen, Züge zu bemalen und am nächsten Tag stundenlang darauf zu warten, für zehn Sekunden einen unserer Züge vorbeifahren zu sehen. Mehr war es für mich nie.
Mein Ziel war ein anderes: Ich wollte berühmt werden. Mit Graffiti, das war klar, würde ich das niemals schaffen. Okay, es kannten viele Berliner meinen Namen, aber niemand wusste, wer sich dahinter verbarg. Ich saß in der U-Bahn, die Leute neben mir sahen meine Bilder, redeten sogar ab und an darüber, aber ich konnte nie sagen: »Hey, das war ich.« Ich sehnte mich nach dieser Aufmerksamkeit, konnte mich aber nicht outen. Entweder die Leute hätten mir nicht geglaubt oder ich hätte eine Anzeige wegen Vandalismus bekommen. Super Alternativen!
Als ich mit der Musik dann anfing, spürte ich komischerweise diesen unbedingten Drang zum Fame gar nicht mehr so krass. Ich wollte, als ich die ersten Beats produzierte und später meine ersten Texte schrieb, wirklich die Welt verändern. Ich hatte was zu sagen. Jedenfalls glaubte ich das. Auf einmal nahm ich auch alles richtig wichtig und machte mir ernsthaft Sorgen um den deutschen Hip-Hop. Der Kram, der in den 90ern aus Hamburg, Heidelberg und Stuttgart kam, ging ja gar nicht klar. Ich saß in meinem Zimmer und dachte mir, der ganze deutsche Hip-Hop geht vor die Hunde! Also musste ich daran etwas ändern.
Wie alles begann
Meine Liebe zum Hip-Hop entdeckte ich ziemlich spät, als ich schon fast 20 war. Die meisten Jungs, die sich ernsthaft für die Hip-Hop-Kultur interessierten, DJs wurden, Texte schrieben oder an Beats schraubten, fingen schon viel früher an, mit 13 oder 14. Klar hörte
ich schon als kleiner Junge Rap-Musik, aber aktiv mischte ich erst mit, als es eigentlich schon fast zu spät war. Mit Musik ist es ja so ähnlich wie mit dem Sport. Im Prinzip muss man ganz früh damit anfangen, mit vier oder fünf Jahren, um überhaupt die Chance zu bekommen, später ein Profi zu werden. Ich selbst betrachtete das aber nie als Hindernis. Im Gegenteil. Ich dachte erst gar nicht darüber nach.
Angefangen hat alles im Sommer 1998. Ein Kumpel lieh mir seine MPC 2000 aus, ein Drumcomputer von Akai, denn ich hatte ihm tagelang das Ohr abgejammert, dass ich unbedingt meine eigenen Beats machen wollte. Als er nachgab und ich die MPC in meinem Zimmer ausprobierte, war ich wie verzaubert. Das war wie ein Tor zu einer anderen Welt. Tag und Nacht saß ich davor, sampelte alle Sounds von meinen geklauten Schallplatten, scratchte wie wild auf meinen geklauten 1210ern A-cappellas und mischte Zitate aus alten Kung-Fu-Filmen zusammen. Ich probierte einfach alles aus, was mir durch den Kopf ging. Das war total aufregend und entsprechend motiviert war ich auch, ein Sample so lange zu bearbeiten, bis es mir gefiel. Manchmal saß ich stundenlang an einem einzigen Soundschnipsel, aber das war mir egal. Es hätte auch Tage dauern können. Ich feierte mich einfach selbst.
Diese Frickelei auf der MPC war eine richtige Schweinearbeit. Im Gegensatz zu einem Computer musste man noch alles manuell einstellen, selbst an den Rädchen drehen und so. Man konnte auch kaum etwas speichern, sodass ich mich immer krass konzentrieren musste, damit alles beim ersten Mal klappte. Diese ganze Rumspielerei hat mich so übertrieben inspiriert, dass ich den krassesten Firlefanz machte und in kürzester Zeit ziemlich gut wurde. Das sprach sich natürlich herum.
King Orgasmus One
Eines Tages sprach mich ein Typ an, mit dem ich zusammen die Ausbildung als Maler und Lackierer gemacht hatte, und erzählte von einem Kumpel, der rappen würde und dass man sich doch mal treffen könnte. So lernte ich King Orgasmus One kennen, der sich damals noch Def Bringer nannte – voll behindert der Name – aber hey, wir waren ja noch jung. Vader und ich kamen gut mit ihm klar.
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