Bushido
irgendwer von hinten anstupste. Im ersten Moment wusste ich gar nicht, was los war, und drehte mich hektisch nach allen Seiten, um zu schauen, wie die anderen reagierten, doch die saßen ganz gechillt auf dem Boden, als wäre nichts gewesen. Für sie war es ja auch so. Die Explosion hörten nur Selina und ich. Das nennt man wohl Liebe auf den ersten Blick. Hanna bekam das natürlich doch irgendwie mit, sie war es ja auch, die mir ihren Ellenbogen in die Seite gerammt hatte, und machte mir eine Riesenszene. Einen Monat später war Schluss. Selina sah ich auch nicht wieder. Ich hatte keine Telefonnummer, keinen Nachnamen, nichts. Trauer!
Ein paar Wochen später chillte ich wieder mit Stacky in seiner Wohnung. Er hatte noch ein paar Kumpels eingeladen. Ich kannte so gut wie keinen, was mir aber auch ziemlich egal war. Wir schauten uns einen Porno an und ich spielte an meinen Eiern herum.
»Scheiße, bin ich geil«, sagte ich und brachte meinen halbsteifen Schwanz in eine angenehmere Position. »Wie gerne würde ich jetzt bumsen gehen!«
Ein Typ namens Timo, mit dem ich den ganzen Abend noch kein Wort gewechselt hatte, drehte sich emotionslos zu mir um.
»Ach ja, das hätte ich fast vergessen«, meinte er und zeigte auf mich. »Du kennst doch Selina, oder?«
»Türlich!«
»Ich soll dir ausrichten, dass du dich bei ihr melden kannst, falls du Bock hast.«
Ich fiel aus allen Wolken.
»Das ist aber voll die Schlampe. Ich hab die auch schon gefickt!«
Mir war das egal. Ich schrieb mir ihre Nummer auf und ging nach Hause.
Am nächsten Tag rief ich sie an und wir verabredeten uns am Rosen-eck im Grunewald. Irgendwie war es eine seltsame Situation. Ich meine, wir kannten uns ja gar nicht, trotzdem schien alles so vertraut. Wir redeten auch nicht, sondern schauten uns nur an und kifften – stundenlang. Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich nicht sofort ans Vögeln. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Ernsthaft! Es dauerte ganze drei Tage, bis ich das erste Mal bei ihr übernachten durfte. Lustigerweise vögelten wir erst am nächsten Morgen miteinander, keine Ahnung wieso und keine Ahnung, wie ich das die ganze Nacht ausgehalten habe. Neben meiner Traumfrau einzuschlafen, mit einem monstermäßigen Megarohr in den Shorts, das muss der Horror gewesen sein. Komischerweise kann ich mich daran aber nicht mehr erinnern. Vielleicht war es damals ja doch nicht so schlimm. Auf jeden Fall hatte Selina die perfekte Figur. Allererste Sahne! Und ficken konnte sie, Junge, Junge, vom Feinsten. Ich war ziemlich beeindruckt.
Wir lagen nebeneinander im Bett, sie streichelte mir den Kopf, und erzählte von ihrer Schwester.
»Hey, ich muss mal kurz ins Krankenhaus. Sophia hatte eine Blinddarmoperation. Kommst du mit?«
Natürlich kam ich mit. Was für eine Frage! Wir fuhren mit der U-Bahn zum Heidelberger Platz, als sie plötzlich meine Hand nahm. Jetzt begriff ich erst, dass wir ein richtiges Paar waren. Wir gehörten zu-sammen. Verdammte Scheiße, war ich stolz. Wir liefen noch eine Weile Hand in Hand durch die Gegend, besorgten einen kleinen Blumenstrauß und schlenderten verliebt ins Krankenhaus. Die Traumfrau aus dem Bus wurde meine Freundin. Wer hätte das gedacht? Das war richtig Optik.
Selinas Eltern waren geschieden. Ihre Mutter hatte wieder geheiratet, der Mann zu Hause war also ihr Stiefvater. Eigentlich war mir das egal, aber da ich so oft es ging mit Selina zusammen sein wollte, musste ich mich zwangsläufig auch mit ihrer Familie auseinandersetzen.
Es war das typische Klischee: Er: Deutscher, Arzt. Sie: Spanierin, be-trieb ein kleines Nagelstudio. Was so viel bedeutete wie: Er brachte das Geld nach Hause und sie suchte sich ein Hobby, damit sie beschäftigt war. Wie auch immer, ihre Eltern gaben mir immer das Gefühl, ein Fremdkörper zu sein. Trotzdem, je länger ich mit Selina zusammen war, desto mehr hing ich auch mit ihrer Familie ab.
Einmal in der Woche, jeden Mittwoch, gab es eine Art Familienzusammenkunft mit großem Essen, zu der auch ihr Bruder, ihre Stiefschwester und ihr Freund eingeladen waren. Wie ich diesen Tag hasste. In großer Runde versammelt saßen wir am Wohnzimmertisch und erzählten vom Job, der Uni und irgendwelchen Urlauben. Natürlich kam auch ich irgendwann an die Reihe. Ich fühlte mich wie in der Schule.
Meine Lieblingsfragen waren »Was arbeitest du denn, Anis?«, dicht gefolgt von »Was möchtest du später eigentlich mal werden?« und »Findest du nicht auch, dass man ohne
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