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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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Ausbildung keine Zukunft hat in Deutschland?«
    Da saß ich nun und wurde dämlich von zehn Augen angeglotzt. Was sollte ich schon antworten? Ich entschied mich für die Wahrheit:
    »Ich habe die Schule geschmissen, bin arbeitslos, habe keine Ausbildung, bewerbe mich auch nicht und habe keinen Plan, was ich mal werden will. Da ihr, wie jede Woche, mal wieder keine Rücksicht auf mich genommen und nur Schweinefleisch auf den Tisch gestellt habt, würde ich mich freuen, noch etwas von dem Gemüse zu bekommen. Vielen Dank!«
    Sie fragten mich nie mehr.
    Obwohl ich keine Arbeit hatte, konnte ich immer alles bezahlen. Auch für Selina. Ich hatte ja immer ein großes Bündel mit Geldscheinen dabei, was Selinas Eltern natürlich irgendwann misstrauisch machte. Sie fragten sich: Anis, der Freund unserer Tochter, ein Drogendealer, ein Krimineller, ein Gangster?
    Mir war das egal. Ich wollte Selina vögeln und nicht ihre Eltern. Dieses besserwisserische Gehabe ging mir sowieso krass auf den Sack. Ich musste denen nichts beweisen, also drauf geschissen. Trotzdem, Selinas Mutter und Stiefvater haben mich nachhaltig therapiert. Heute fällt es mir immer noch sehr schwer, mit den Eltern meiner Kumpels zu chillen, da ich automatisch das Gefühl habe, dass sie mich wegen meines Aussehens, meiner Tattoos oder meiner Musik nicht mögen. Natürlich ist das nicht der Fall, aber diese Paranoia schiebe ich seitdem vor mir her.

Fremdgehen? Niemals!
    Ich war so krass in Selina verliebt, dass ich in all den Jahren kein einziges Mal fremdging. Ich schaute andere Mädchen noch nicht einmal an, so sehr liebte ich meinen Engel. Das schwöre ich. Damals war ja noch alles okay. Auch mein Frauenbild war noch in Ordnung. Ich war in der Hinsicht richtig extrem. Ich hielt es ja schon für verwerflich, mit anderen Frauen auch nur zu flirten. Meine Einstellung war folgende: Ich hatte eine superhübsche und süße Freundin, die mir sextechnisch alles gab, was ich brauchte. Sie war perfekt. Es gab für mich keinen Grund fremdzugehen. Wer will schon einen Golf Probe fahren, wenn man einen Mercedes besitzt?
    In meinen Augen hatte ich das perfekte Leben. Wie ein verliebter Vollidiot rannte ich mit rosaroter Brille durch die Straßen, mit einem dämlichen Breitmaulfrosch-Grinsen, und konnte mein Glück gar nicht fassen. Die ersten beiden Jahre mit Selina waren schon sehr extrem. Sie hatte keinen Kontakt mehr zu ihren Freunden, ich keinen mehr zu meinen. Wir hingen wirklich Tag und Nacht aufeinander. Anis ohne Selina? Undenkbar! Wenn Selina morgens zur Schule musste – sie ging auf ein teures Privatgymnasium – machte ich ein bisschen Kohle, organisierte Gras und wartete, bis sie wieder nach Hause kam. Dann hieß es: kiffen, ficken, chillen, essen, kiffen, ficken, schlafen. Herrlich!
    Ich hatte die Lage voll im Griff, bis eines Tages Selinas beste Freundin Aileen wieder auf der Bildfläche erschien. Sie war natürlich eifersüchtig, dass ihre Freundin nur noch mit mir abhing und nicht mehr mit ihr, und wurde so zu einer richtigen Gegenspielerin. Aileen und ich waren wie Feuer und Wasser. Ich wusste, dass sie mich permanent bei Selina schlechtmachte, ihr Lügen über mich erzählte und ihr Flausen in den Kopf setzte, aber das war mir egal. Meine Zeit war mir zu kostbar, als dass ich sie an diese Schlampe vergeuden wollte. Ich hatte sie als Gegnerin eindeutig unterschätzt.
    Selina und ich trafen uns immer seltener, dafür stritten wir uns, wenn wir mal was zusammen unternahmen, immer häufiger. Meist ohne triftigen Grund, einfach nur so. Wegen irgendwelcher Kleinigkeiten. Sie fauchte mich sogar an, wenn ich mal kein Gras besorgt hatte und rannte sofort zu Aileen, um sich bei ihr auszuheulen. Die nutzte das natürlich eiskalt aus und belaberte Selina so lange, bis auch sie irgendwann endgültig glaubte, ich wäre tatsächlich dieser Scheißkerl, vor dem sie alle schon immer gewarnt hatten. Aileen hatte sie so krass therapiert, dass Selina wie ferngesteuert handelte. Ich erkannte sie nicht wieder. Was aber noch schlimmer war: Ich kam nicht mehr an Selina ran. Zu sehen, wie sie sich immer weiter von mir entfernte, brach mir das Herz.
    Eines Abends, Selina und ich stritten mal wieder, rastete sie total aus. Wie eine wild gewordene Gans zappelte sie umher und trat mir mit voller Wucht gegen das Schienbein. Reflexartig sprang ich zur Seite, humpelte auf einem Bein durchs Zimmer und gab ihr eine Schelle auf die Wange. Verdammt. Ich ent-
schuldigte mich auch sofort,

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