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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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unwirklich an, aber genau das war es auch.
    Es war, als ob sich das Universum um uns herum ausdehnte und sich der Raum, in dem wir uns befanden, ins Unendliche verzog. Die Zeit blieb stehen. Ich konnte nicht mehr atmen. Musste ich auch gar nicht, denn an dem Ort, an dem ich mich befand, war das Atmen unbedeutend. Für einen kurzen Moment war ich nicht auf dieser Erde. Dann ertönte eine Melodie, so ein komischer Singsang, richtig behindert, wie in Auf der Suche nach dem goldenen Kind
mit Eddie Murphy, als die tibetanischen Mönche im Kloster chillten. Das war so krass, dass ich intuitiv nach hinten sprang und mich an einem Zaun festhalten musste, um nicht von der Druck-welle weggeschleudert zu werden. Wir schauten uns an, aber noch immer traute sich niemand, etwas zu sagen, doch ich sah den Jungs an, dass sie das Gleiche fühlten wie ich: Das ist der Anfang vom Ende der Welt!
    Mein Kumpel Hussein, ein Paradetürke, wie er im Buche steht, baute sich vor mir auf, nahm ein paar Steine in die Hand, warf sie über das Gitter auf den Fußballplatz und fing laut an zu schreien: »Allahu akbar! Ihr Hurensöhne! Allah ist der Größte! Ihr verdammten Hurensöhne!« Dann lief er um das Fußballfeld herum, um einen Blick hineinzuwerfen. Wir hinterher, aber da war nichts. Da war absolut nichts. Das konnte doch gar nicht sein, dachten wir uns. Wir standen fassungslos nebeneinander, wie starre Ölgötzen und suchten nach den richtigen Worten. Selbst Ibo, der auch schon allein auf den Friedhof gegangen war, um gegen zehn Kuttenträger zu kämpfen, selbst er, der immer wieder betonte, dass er gegen jede Armee der Welt kämpfen würde und vor niemandem Angst hätte, außer vor Gott, selbst er zitterte am ganzen Körper.
    Verwirrt machten wir uns auf den Heimweg. Ibo brachte seinen kleinen Bruder nach Hause, die anderen Jungs verabschiedeten sich auch von uns. Nur Hussein und ich blieben noch übrig. Hussein wohnte zwar bei mir in Marienfelde, aber eher ein bisschen außerhalb, Richtung Dorfkirche, neben einer großen Wiese, die wiederum an einen kleinen Friedhof grenzte. Wir liefen so die Straße entlang, als er mir auf die Schulter tippte.
    »Alter, kannst du mich bitte nach Hause bringen? Ich will nicht allein gehen«, meinte er total eingeschüchtert.
    Das muss man sich mal geben: An jedem anderen Tag wäre er für so einen Spruch richtig krass ausgelacht worden. Wahrscheinlich hätte er sich sogar ein paar Schellen eingefangen.
    »Ohh, nee, Alter«, meinte ich. »Ich hab doch genauso viel Angst wie du, nur ich wohne gleich hier vorn. Wenn ich dich nach Hause bringe, muss ich ja auch den gleichen Weg wieder allein zurückgehen. Das ist ja voll der Umweg für mich, Alter.«
    »Bitte, Anis, bitte, bitte«, flehte er mich an.
    »Na gut, du Schisser. Die Hälfte der Strecke begleite ich dich. Den Rest musst du allein gehen.«
    Wie eine kleine Schwuchtel klammerte er sich an mich, und ich brachte ihn zur vereinbarten Stelle. Dann fing Hussein an zu rennen, so schnell konnte man gar nicht hinterhersehen. Ich drehte mich um, machte zwei Schritte, als ich plötzlich einen richtig krassen Schweißausbruch und übelste Paranoia bekam. Wie ein wilder Stier schlug ich um mich, doch da war niemand. Immer wieder hörte ich eine Stimme, hinter mir, vor mir, sie war überall, aber ich konnte sie nicht orten. Ich fror plötzlich am ganzen Körper, mir wurde eiskalt. Schnell nach Hause, war mein einziger Gedanke. Als ich um die Ecke bog, sah ich, dass im Wohnzimmer unserer Wohnung noch Licht brannte. »Seltsam, wieso schläft meine Mutter noch nicht?«, wunderte ich mich.
    Ich schloss die Haustür auf und sah meine Mutter total verheult in der Küche sitzen.
    »Was ist los mit dir?«, rief sie mir entgegen.
    »Wie, was meinst du, Mama?«
    »Ich habe geträumt, dass etwas Schlimmes passieren würde. Heute Nacht. Mit dir. Dann bin ich aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen«, sagte sie und fiel mir um den Hals. »Ich hatte Todesangst um dich, mein Sohn!«
    Sie drückte mich so fest sie konnte an sich. Ich beruhigte meine Mutter und erzählte ihr die Geschichte vom Friedhof.
    »Wann passierte das denn genau?«, fragte sie.
    Ich schaute auf die Küchenuhr. Es war halb zwei.
    »Genau vor einer Stunde.«
    »Und um halb eins bin ich aufgewacht«, sagte sie leise.
    Meine Mutter wurde kreidebleich. Überkrass. Dieses Bild, wie sie mit mir in der Küche saß, werde ich mein Leben lang nicht vergessen.
    Normalerweise kennen wir diese Szenen ja nur

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