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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Bundesrepublik geprägt hat. Eine Ergänzung und Vertiefung dessen, was bereits durch die Max-Planck-Kommission erarbeitet wurde.«
    »Das hat seiner Frau bestimmt gefallen?«
    »Geht so. Eher nein, würde ich sagen. Die Butenschöns sind misstrauisch geworden, was Veröffentlichungen angeht. Kann man verstehen, nach all den Gerüchten. Auch in dem Kommissionsbericht stehen ein paar wenig schmeichelhafte Dinge drin.«
    »Zum Beispiel?«
    Evelyn Deininger erhob sich, ging zu einem großen Plastikbottich, der vor einem Bücherregal auf dem Boden stand, und entnahm ihm einen bräunlich eingeschlagenen Wälzer, den sie vor mir auf den Tisch legte. »Albert Butenschön und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft«, stand auf der Titelseite. »Lesen Sie«, meinte sie und nahm wieder Platz. »Sehr lehrreich, wenn man erfahren will, wie man als Wissenschaftler in Deutschland nach oben kommt. Als Mann, wohlgemerkt.«
    »Bitte nicht«, stöhnte ich. Ich hasse dicke Bücher, sogar die, an denen ich persönlich mitgewirkt habe!
    »Sie werden sehen, die Lektüre lohnt sich.«
    »Hören Sie, Frau Deininger …« Ich blätterte den Schinken durch. Er wies jede Menge Gebrauchsspuren auf: Seiten mit Eselsohren, unterstrichene oder markierte Sätze, es gab handschriftliche Kommentare und Verweise sowie Dutzende von Lesezeichen. »Einfach gestrickte Menschen wie ich kriegen von diesem akademischen Slang Ausschlag, ehrlich wahr. Für so was brauche ich eine Übersetzerin. Bis ich dieses Buch durch habe, sind Sie emeritiert.«
    Sie lachte   –   zum ersten Mal, seit ich sie kannte. »Bluffen Sie nur, Herr Koller! Aber gut, das wissenschaftliche Vokabular ist manchmal abschreckend. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen in einer ruhigen Minute ein bisschen was über Butenschön und seine Eigenheiten erzählen. Alternativ schlage ich Ihnen ein Treffen mit einer seiner Schülerinnen vor, das ist noch aussagekräftiger.«
    »Und ein Treffen mit dem alten Herrn selbst?«
    »Das wird Ihnen nicht gelingen.« Ihr Lächeln verschwand. »Außerdem wäre es mir unlieb.«
    »Warum?«
    »Ich möchte nicht, dass Staub aufgewirbelt wird. Ich möchte in aller Ruhe meine Promotion zu Ende bringen und damit fertig. Wenn die Butenschöns erfahren, dass es da einen Privatdetektiv gibt, der sie in Verbindung mit einem Brandanschlag bringen will …«
    »Will ich gar nicht. Ich will bloß Spuren nachgehen. Und das erfordert, sich mit allen Betroffenen zu unterhalten. Ganz offen und unverbindlich. In wissenschaftlicher Neutralität sozusagen.«
    »Mein Kontakt zu Koschak und dem Russen …«
    »Wird nicht erwähnt.«
    Ich sah, wie ihre Kiefer mahlten. Ihr Mund wurde ganz schmal. »Wenn es sein muss. Ein gutes Gefühl habe ich nicht dabei. Bitte, wecken Sie keine schlafenden Hunde, Herr Koller.«
    »Tja.« Unbestimmt hob ich die Arme. Sicher, nötig war ein solches Gespräch vorerst nicht. Aber ich wusste halt gerne, mit wem ich es zu tun hatte. Und das erfuhr ich am ehesten bei einer persönlichen Begegnung. So war ich nun mal: dem anderen in die Augen schauen, ihn beschnuppern, dem Klang seiner Stimme lauschen. Davon stand in dem Kommissionsbericht garantiert nichts.
    »Reden Sie erst einmal mit seiner Schülerin«, beharrte Knödelchen. »An die kommen Sie auch leichter ran. Sie heißt Dörte Malewski und wohnt in Kirchheim.«
    »Gut. Mache ich bestimmt.« Ich stand auf. »Und Sie? Arbeiten Sie weiter wie bisher? Oder verzichten Sie jetzt auf Butenschöns Kriegsdokumente?«
    »Verzichten? Das wäre ja noch schöner!« Nun war sie wieder die harte, trotzige junge Frau von gestern Abend. Auf der Suche nach einem Verbündeten blieb ihr Blick an dem summenden Laptop hängen. Erst jetzt fiel mir auf, dass die drolligen Fischlein auf dem Bildschirm Piranhas waren.

     

     

     

     

    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

7

    Der Englische Jäger war gut besucht. Am Stammtisch brüteten sie still vor sich hin, ließen den Lärm von allen Seiten über sich hinwegbranden, rollten mit den Augen. Rechts und links saßen zerzauste Vögel, abgehalfterte Studenten und wer sonst noch auf billiges Bier angewiesen war. Ein verliebtes Pärchen schob sich gegenseitig Pommes frites mit Ketchup in den Mund. Vor den Klos lehnte einer in Motorradkleidung und glotzte die Luft löchrig.
    Ich vermisste Maria, die Wirtin. Statt ihrer stand ein verlebtes Exemplar von Grande Dame hinterm Tresen und köpfte Bierflaschen. Aus einer dunklen Ecke sprang ein

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