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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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hatte eine eigene Homepage, die ungefähr so informativ war wie das große Hinweisschild an der Berliner Straße. Dann hing der Computer plötzlich, ich gab ihm einen Klaps, er hing immer noch, ich fluchte, holte mächtig mit der Hand aus   –   im letzten Moment fiel mir ein, dass es sich bei dem Scheißding um ein Besitztum meiner Ex-Frau handelte, und ich zog die Hand zurück.
    »Minderleister«, beschimpfte ich das renitente Gerät, bevor ich den Aus-Knopf drückte. Dann stürmte ich hinaus.
    Wie nannte man eigentlich eine Ex-Frau, mit der man wieder zusammenwohnte? Ex-Ex? Oder Doppel-Ex? Nicht-mehr-Ex? Oder Wiederfrau?
    »Wiedergängerin«, murmelte ich, während ich mein Rad aufschloss. Das klang gut. Ein bisschen mysteriös, ein bisschen gefährlich. Was waren eigentlich Wiedergänger? Typen, die plötzlich auftauchten und einen an längst Verstorbene erinnerten. Oder an Personen, die man mal gekannt hatte. So wie Max Koller ein Wiedergänger von Philip Marlowe und Raymond Chandler gleichzeitig war. Hoffentlich wusste das der Mensch, der über der Rezension meines Buchs für die Neckar-Nachrichten saß.
    Mit dem festen Vorsatz, den heutigen Abend im Englischen Jäger zu verbringen, schlug ich den Weg zum Neuenheimer Feld ein. Deininger hatte mir gesagt, dass seine Frau mittags wieder zur Arbeit gegangen sei. Er hatte es natürlich bedauert   –   sie solle sich lieber schonen, und überhaupt, da war doch alles dreckig und kaputt –, mir aber kam das gerade recht. Konnte ich den Tatort noch einmal bei Tageslicht in Augenschein nehmen.
    Viel Zeit blieb mir nicht. Als ich im Technologiepark eintraf, tauchte die Abendsonne die Hänge des Odenwalds in ein warmes Orange. Für die nächsten Tage war mildes Herbstwetter gemeldet. Ich lief einmal um das gesamte Gebäude herum, schritt den laubübersäten Klausenpfad ein Stück Richtung Westen ab, bis ich auf eine Tennisanlage stieß. Alles neu dort, alles schick, Geländewagen und flache Audis, ohne Breitreifen lief da gar nix. Ich ging zurück. Es gab mehrere Abzweigungen nach Norden, schnurgerade Wege, von Feldern, Hecken und Bäumen gesäumt. Ein Leichtes, sich hier im Schutz der Dunkelheit zu verdrücken. Der Feuerteufel war von irgendwo gekommen und irgendwohin verschwunden, und wenn er sich nicht bemerkenswert dämlich angestellt hatte, würde man nie eine Spur von ihm finden.
    Besondere Aufmerksamkeit zollte ich dem großen Plakat, das auf einer der Brachflächen postiert war. Ein handbepinseltes Laken mit der zornigen Aufschrift: »Keine Erweiterung der Uni nach Norden! Keine Straßenbahn durch den Klausenpfad!« Die Unterschrift fehlte, aber man konnte davon ausgehen, dass der Handschuhsheimer Landwirt, dem die Brache gehörte, hinter diesem Appell steckte. Als ob die hiesigen Großbauern unter Platznot litten! Ihre Felder reichten doch bis nach Ladenburg   –   einerseits. Andererseits hatte die Universität in den letzten 50 Jahren Gemarkung für Gemarkung in Beschlag genommen, hatte die Neuenheimer Obstgärten und Gemüseäcker in eine Betonwüste verwandelt   –   warum sollte ihr das mit dem angrenzenden Areal nicht ebenfalls gelingen? Ihr Appetit war noch lange nicht gestillt, und wenn erst einmal die berühmte fünfte Neckarquerung, das Schreckgespenst jedes Anrainers, den Campus mit der A 5 verband, gab es für Baulöwen und Investoren kein Halten mehr. Insofern genossen die wehrhaften Handschuhsheimer meine stille Sympathie.
    Zurück zum Fall, zurück zum Technologiepark. Die Rasenfläche vor Evelyn Deiningers Büro war mit Flatterband abgesperrt. Lange Schatten liefen über das Gras. Soweit ich aus der Distanz erkennen konnte, bestand die große geborstene Fensterscheibe aus widerstandsfähigem Doppelglas. Sie zu zerdeppern, war bestimmt nicht so einfach, wie man es sich in der Theorie vorstellte. Möglicherweise hatte der Täter zunächst einen schweren Stein benutzt, um anschließend den Brandsatz durch die Öffnung zu schleudern. Vielleicht hatte er auch zwei, drei Mal werfen müssen, bis die Öffnung groß genug war.
    Und warum das Ganze? Gute Frage. Dass ein herkömmlicher Brandsatz in einem modernen Büro mit Sprinkleranlage nicht viel anrichtet, weiß jedes Kind. Auch in diesem Fall hatte das Löschwasser der Feuerwehr für den größten Schaden gesorgt. Wäre es dem Täter alleine um Zerstörung gegangen, hätte er zielgerichteter vorgehen müssen. Bärchen Deininger hatte recht: Als Warnung machte der Anschlag bedeutend mehr

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