Butenschön
Butenschön führen würde. Anlässlich seines Geburtstags.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Mein Chef Marc Covet müsste vor seinem Urlaub einen ausgemacht haben. Es dauert auch nicht lange.«
»Wie heißt der Mann?«
»Marc Covet von den Neckar-Nachrichten.«
»Davon weiß ich nichts. Tut mir leid.«
»Das Ganze soll ein Vorbericht zu Professor Butenschöns Feier in der …«
»Danke und auf Wiedersehen.«
Knack, das wars. Audienz beendet. Wie ein durchgefallener Prüfling stand ich mit meinem angefangenen Satz auf dem Bürgersteig und hielt Maulaffen feil. War das Butenschöns Frau gewesen, von der mir Evelyn Deininger erzählt hatte? Die mit den Außenkontakten? Dass sie auch für die Kontaktsperren zuständig war, hatte mir keiner gesagt.
Ich klingelte ein weiteres Mal.
»Sind Sie es immer noch?«
»Entschuldigen Sie, aber mein Chef scheint versäumt zu haben, Sie zu informieren. Wenn es dem Professor jetzt nicht passt, komme ich im Laufe des Tages gerne wieder.«
»Neckar-Nachrichten, sagten Sie?«
»Richtig.«
»Dann nehmen Sie über Ihre Redaktion bitte schriftlich mit uns Kontakt auf. Mein Mann gibt wegen seines Gesundheitszustands nur ausgewählte Interviews und ad hoc auf keinen Fall. Beschreiben Sie Ihr Anliegen möglichst detailliert, am besten mit vorformulierten Fragen, wir melden uns dann.«
»Aber Frau Butenschön …«
»Bitte haben Sie Verständnis. Einen guten Tag noch.«
Zum zweiten Mal innerhalb einer Minute blieb mir der Mund offen stehen. Das wurde ja immer besser! Vorformulierte Fragen! Waren wir hier in der DDR? Ich würde mich nicht als empfindlich bezeichnen, aber wenn jemand dafür sorgt, dass es mir die Sprache gleich doppelt verschlägt, dann … genau, dann fordert mich das heraus. Wir würden ja sehen, wer hier das letzte Wort behielt, du Professorenschnepfe!
Okay, der Zaun war ein Witz, aber was hatte ich davon, wenn ich das Gelände stürmte? Ich konnte an der Eingangstür klingeln, dann begann unser Spielchen von vorne. In schrillerer Tonlage. Was sonst: warten? Auf wen oder was? In diesem Kasten musste es außer dem Greis und seiner Gattin noch weitere Bewohner geben!
Also warten. Das heißt, zunächst einem herumliegenden Stein einen kräftigen Tritt geben, sich bei dem Stein entschuldigen, Luft ablassen und dann: warten. Ich stellte mich etwas seitlich, in den Schatten eines großen immergrünen Buschs, so dass man mich von der Villa aus nicht gleich wahrnahm. Der Hang war hier weniger steil als in der restlichen Panoramastraße, erst ein gutes Stück hinter Butenschöns Wohnsitz stieg das Gelände wieder stark an.
Kalt war es nicht. Deswegen aber noch lange nicht warm. Ungemütlich, wenn man bloß herumstand und die Schultern zusammenzog. Ich ging ein paar Schritte auf und ab, den Kragen meiner Jacke hochgestellt, die Hände in den Taschen. Autos schlichen untertourig an mir vorbei, ein älteres Ehepaar kam angewackelt und musterte mich schweigend.
Plötzlich sah ich auf dem Areal der Butenschön-Villa eine junge Frau. Sie trug eine rote Windjacke und schwang sich im Gehen einen kleinen Rucksack auf den Rücken. An der Hauswand lehnte ein Rennrad. Sie schloss es auf, griff den Lenker und schob es zur Gartentür, die sie mithilfe eines verborgenen Summers öffnete. Als sie losfahren wollte, stand ich neben ihr.
»Guten Morgen. Ich bin Journalist. Darf ich Sie etwas fragen?«
Sie sah mich an, ausdruckslos und sehr direkt, dann sagte sie: »Ich kenne Sie.«
Komisch, mir lag eine ganz ähnliche Bemerkung auf der Zunge. Wo hatte ich dieses Gesicht schon einmal gesehen? Schmal war es, ernst, aber nicht ohne. Ich lasse nicht jeden ran, sagte ihr Blick, und ich wollte wetten, dass er oft zum Einsatz kam. Tiefbraunes Haar, lose zusammengesteckt. Und Sommersprossen, die gefielen mir besonders. Aber woher kannte ich sie?
»Sie haben dieses Buch geschrieben«, fuhr sie fort.
Ich grinste. Eine tolle Frau! Und da behaupte noch einer, unsere Jugend lese nicht mehr. Covet hatte es prophezeit: Ein Buch, Max, und du kannst dich vor Weibern nicht mehr retten! Genau genommen hatte ich ihm diese Formulierung in den Mund geschoben, um Christine zu ärgern, was aber nicht funktionierte. Trotzdem, der Satz stimmte, wie man sah, und gleich würde mich die Unbekannte um ein Autogramm bitten.
»Ich dachte, Sie seien Ermittler oder so was«, sagte sie stattdessen. »Kein Journalist.«
»Das ist manchmal schwer zu trennen. Sind Sie eine Bekannte von Professor
Weitere Kostenlose Bücher