Butenschön
begründeten Anlass zu der Sorge haben müsse, dass in den letzten Tagen etwas passiert sei, was nicht in seinen Absichten liege, sondern sogar, möglicherweise, bestimmte Tatbestände jenseits des gesetzlich Erlaubten erfülle … Ich hielt inne. Schwer zogen die Kürbisse an meinen Armen.
Frau Kleinfeld sah mich an. Schweigend. Wenn ich mich nicht täuschte, war die Falte auf der Stirn vorhin nicht so lang und tief gewesen und ihr Blick nicht so verschlossen.
»Ich habe kein Wort verstanden«, sagte sie schließlich. »Was meinen Sie mit falschen Mitteln?«
Tief durchatmen, Max. »Ich meine damit … aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Sie haben von dem Brand vorgestern Abend im Technologiepark gehört?«
»Ist ja um die Ecke.«
»Ein Motiv für den Anschlag gibt es noch nicht. Es wäre aber vorstellbar, dass jemand ein Zeichen gegen die drohende Erweiterung des Unicampus setzen wollte und daher …«
»Stopp!«, unterbrach sie mich mit erhobenem Zeigefinger. Gleich würde sie ihn mir auf die Lippen legen! »Sie meinen, Pro Hendesse …« Ihre Stirnfalte war zur Schlucht geworden, in der alles Mögliche hauste, aber ganz bestimmt kein Wohlwollen für mich und meine Unterstellungen.
»Es ist ja nur …«, begann ich, kam aber auch diesmal nicht weit.
»Haben Sie das gehört?«, rief Frau Kleinfeld durch den Verkaufsraum, und ich musste feststellen, dass inzwischen weitere Kunden eingetroffen waren, dazu zwei Feldarbeiter mit fleckigen Jacken. Neun gegen einen – ich hatte keine Chance! »Haben Sie das gehört? Der junge Mann hier behauptet, wir von Pro Hendesse hätten den Brand im Technologiepark gelegt. Weil wir von Pro Hendesse jetzt mit illegalen Mitteln kämpfen. Was sagen Sie dazu?«
Die Kunden sahen sich verdutzt an. Sogar die schicke Blonde, eine Hand an der Türklinke, wandte den Kopf und bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick. Die beiden Arbeiter zogen unergründliche Grimassen; wenn ich Glück hatte, stammten sie aus Polen und wussten nichts von Pro Hendesse. Die rundliche Verkäuferin aber stemmte beide Fäuste in die Seiten und rief empört: »Das ist eine Unverschämtheit! Erst zieht die Presse über uns her und jetzt das! Was erlauben Sie sich?«
»Moment, Moment«, wehrte ich mich. »So war das nicht gemeint. Ich bin von einem der Geschädigten mit der Suche nach dem Feuerteufel beauftragt, und in diesem Zusammenhang kam die Frage auf …«
»Das ist es ja!«, schnitt mir Frau Kleinfeld zum dritten Mal das Wort ab. »Da hat man mal ein politisches Anliegen, und kaum passiert irgendwo etwas, wird man verunglimpft. Deshalb ist mein Mann auch krank geworden. Weil er diese ewigen Unterstellungen und Gehässigkeiten nicht mehr ertragen konnte! Sein Amt bei Pro Hendesse hat er abgegeben. Aber glauben Sie nicht, dass Sie uns auch nur eine Gesetzesübertretung nachweisen können. Sie nicht!«
»Sie missverstehen mich«, erwiderte ich verzweifelt. Ich hatte ja nicht einmal meine Arme zum Gestikulieren und Besänftigen frei! »Es geht bloß …«
Aber in diesem Raum würde ich nie wieder einen Satz zu Ende sprechen können. »Papperlapapp!«, rief Frau Kleinfeld schneidend und zeigte mir die Tür. »Bitte gehen Sie, junger Mann. Die Kürbisse sind heute gratis, nehmen Sie sie und dann adieu. Der neue Sprecher von Pro Hendesse heißt Unverricht, aber von dem werden Sie auch nichts anderes erfahren. Wir sind ein sauberer Verein.«
Kürbisbeladen trat ich den Rückzug an. Während sich die Polen eins grinsten, schickte mir die Verkäuferin ein verächtliches Schnauben hinterher. Widerwillig gab die Kundschaft den Weg frei. Als ich die Türschwelle erreicht hatte, tippte mir ein Mann auf die Schulter und sagte: »Seit 60 Jahren wohne ich hier, mein Herr, und ich lasse es nicht zu, dass man Unwahrheiten über uns verbreitet. Wir Handschuhsheimer sind ehrliche Leut, schreiben Sie sich das hinter die Ohren!«
Ich nickte und zog die Tür mit einer Fußspitze zu. Bevor sie ins Schloss fiel, hörte ich eine Kundin fragen: »Gilt das mit den Gratiskürbissen auch für uns?«
Unter den strafenden Blicken der Blonden, die ihren Porsche mit Verve aus der Parklücke trieb, verstaute ich die beiden Kaventsmänner in meinen Fahrradtaschen. Als ich eben den Weg Richtung Heimat einschlagen wollte, entdeckte ich ein Hinweisschild: »Brennerei Unverricht, 2 min.«. Ein Pfeil zeigte nach links. Ich zögerte. Noch einmal so eine Lehrstunde in Sachen Lokalpatriotismus? Am Ende
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