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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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vertrieben sie mich mit Stockschlägen aus ihrem ehrlichen Hendesse! Aber ich hatte schließlich einen Auftrag, und eigentlich   –   eigentlich!   –   fordert mich Widerstand nur heraus. Schade, dass ich heute nichts davon spürte.
    Also auf zum Schnapsbrenner Unverricht! Aus den zwei versprochenen Minuten wurden fünf und etwas mehr. Hätte ich mir gleich denken können, dass sich die Zeitangabe an Cayennefahrer richtete. Außerdem bremsten mich die beiden Riesenkürbisse, vom Gegenwind ganz zu schweigen.
    Der Schnapsladen war menschenleer, vielleicht ein gutes Omen. Die Türklingel spielte eine heitere Melodie. Aus zig Fläschchen und Karaffen leuchtete Hochprozentiges in sämtlichen vorstellbaren Geschmacksrichtungen. Die Unverrichts verarbeiteten sogar Cranberries zu Schnaps. Wahrscheinlich kam gleich die Porschetussi angebraust und verlangte drei handverlesene deutsche Bio-Cranberries. Aber nicht zu groß, bitte.
    Stattdessen kam eine Verkäuferin, zierlich und mittelalt, als ich gerade einen kleinen Kürbis begutachtete. Denn auch hier lagen sie herum, nicht ganz so formen- und sortenreich wie bei Kleinfelds und wohl eher zur Dekoration, den werten Kunden an die aktuelle Jahreszeit erinnernd   –   egal, sie lagen da und schienen auf mich zu warten.
    »Ach, herrjemine«, begann die Frau und schlug die Hände zusammen. »Unser Kürbisschnaps ist leider aus. So eine Nachfrage hatten wir noch nie! Die Kürbisse hier sind sozusagen der Ersatz, bis mein Mann wieder nachgebrannt hat.«
    »Ist er da? Ich würde gerne mit ihm sprechen.«
    »Im Moment nicht. Er ist bei der Arbeit.« Sie schenkte mir ein wonniges Lächeln. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen?«
    Ihr Lächeln ermutigte mich. Also zum zweiten Mal in die vorbereitete Satzkiste gelangt und das Wortgeklingel von den eventuell zu beanstandenden Methoden hervorgeholt. Wieder verhedderte ich mich im Konjunktivgetümmel meiner Bandwurmsätze, die jedem UN-Diplomaten zur Ehre gereicht hätten, und wieder klangen sie völlig anders als auf der Herfahrt zurechtgelegt. Bei Frau Unverricht wuchs keine Stirnfalte in die Tiefe, dafür breitete sich Entsetzen auf ihrem rundlichen Gesicht aus wie die Druckwellen eines Erdbebens. Ihr Blick wurde starr, die hellen Löckchen um ihren kleinen Kopf begannen zu zittern, und zu guter Letzt schlug sie sich eine Hand vor den Mund.
    »Aber das ist ja schrecklich!«, flüsterte sie fassungslos.
    Irgendwie war auch das nicht die Reaktion, die ich mir erhofft hatte. Also weitere Konjunktive gezückt: es handle sich ja nur um eine Überlegung, eine vorsichtige Spekulation, und überhaupt könne alles auch ganz anders sein. Ob Pro Hendesse involviert sei oder nicht, müsse sich erst noch herausstellen. Immer langsam mit den jungen Pferden.
    »Entsetzlich«, wiederholte Frau Unverricht. In ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich dachte mir, dass so etwas passieren würde.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sind Sie von der Polizei?«
    »Nein, ich arbeite im Auftrag eines der Geschädigten. Sehen Sie, es geht mir bloß …«
    »Ich darf gar nicht daran denken, was mein Mann sagen wird«, unterbrach sie mich mit tränenerstickter Stimme. Sogar hier fiel man mir ins Wort! Sie eilte zur Tür, um den Schlüssel im Schloss zu drehen. Dabei fuhr gerade ein Wagen vor, es wurde immer absurder. »Toben wird er«, stieß sie hervor. »Mein Mann, meine ich. Wie zuletzt, als er   …   So etwas hat uns gerade noch gefehlt. Ein Brandanschlag! Der Verein leistet wirklich Hervorragendes, endlich finden wir im Heidelberger Norden mal Gehör, und nun das. Mein Mann ist doch erst seit kurzem Sprecher von Pro Hendesse. Gestern sagte er noch, Agnes, sagte er, ich habe Bedenken wegen dem Geschäft; nicht dass uns jetzt die Neuenheimer boykottieren und die aus der Altstadt. Sie wissen ja, Neuenheim und Handschuhsheim sind so. Schon immer gewesen.« Sie legte ihre Zeigefinger über Kreuz und schenkte mir einen derart treuherzigen Blick aus feuchten Augen, dass ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte.
    »Was ist denn nun passiert?«, rettete ich mich. »Ich meine, wieso befürchten Sie, dass jemand aus dem Verein dahinter stecken könnte?«
    »Der Spang«, sagte sie mit plötzlich verändertem Gesichtsausdruck, viel härter, viel energischer, »hat seine Jungs nicht im Griff. Das weiß jeder hier, er natürlich auch, aber was tut er? Nichts. Wenn Frechheit ein Sport wäre, wären die beiden längst Olympiasieger. Gold für den Justin, Silber

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