Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
wollte sie mit einem Blick auf das Notizbuch wissen.
Elias nickte und hielt ein kurzes Plädoyer zugunsten des Döskopps, der mit Dicyandiamid Ställe in die Luft jagte. Er ahnte allerdings, dass er die Staatsanwältin damit nicht milde stimmen würde. »Der Junge ist blöd, aber kein Krimineller. Er ist, differenziert betrachtet, einfach nur … blöd.«
»Alle Menschen unter dreißig sind blöd. Die über dreißig allerdings auch.«
»Ja, nur finde ich, man sollte es berücksichtigen.«
»Wie wird man denn mit so ’nem Butterherzen Bulle?«, fragte Olly und hämmerte weiter in die Tasten. In ihrem Pferdegesicht regte sich nichts. Ein Blick auf Harms Notizen, einer auf den Bildschirm … Profi halt. »Hast du inzwischen eine Bleibe?«
»So ’ne Art Einzimmerapartment«, murmelte Elias.
»Was denn genau?«
»Hotel«, log er.
»Aha.« Sie war Staatsanwältin und merkte, wenn man sie anschwindelte. »Autohotel, hm?«
Elias nickte.
»Geht mich ja nichts an. Jeder, wie er mag. Nur solltest du dem Harm nicht die Bude vollstinken. Das hält er nicht aus.« Ratternd kringelte sich das Formular aus dem Drucker. »Hier.« Sie wies auf die Zeile, wo er unterschreiben sollte. »Und nun nichts wie weg. Es ist Feierabend.« Sie fuhr den Computer herunter, ohne dass er protestierte.
Als sie unten bei der Wache vorbeikamen, klopfte Elias ans Glas und fragte den Kollegen, der Schicht hatte, ob eine Frau Coordes vorbeigekommen und ob überhaupt im Zusammenhang mit ihr irgendetwas geschehen sei. Der Mann durchsuchte seine Ablage, sah im Computer nach und verneinte. Elias nickte erleichtert.
Draußen auf der Straße blickte er zum Hafen hinüber, wo neben der Touristeninformation immer noch sein Twingo parkte. Olthild Kellermann, die Olly genannt werden wollte, kratzte sich den leuchtend roten Schopf. »Du schläfst im Auto? Im Ernst?«, fragte sie.
Die Frau Staatsanwältin wohnte weit ab vom Schuss und nicht ganz so edel, wie Elias es sich bei einer Beamtin der Besoldungsgruppe R3 vorgestellt hätte. Ihr Haus lag wie eine Schildkröte inmitten der weiten ostfriesischen Halbwüste. Es war ein alter Gulfhof, mit knarrenden Dielen und einem Dach, das teilweise nur einen Meter über den Boden ragte. Außerdem besaß sie einen Hahn, der ihnen entgegenflatterte, als sie die Haustür öffnete. »Sein Name ist King Kong«, erklärte Olly, während sie die Tür hinter Elias schloss. »Gewöhnlich wohnt er im Garten, aber seine Hennen sind letztens von einem Laster überfahren worden, und da päpple ich ihn ein bisschen auf. Ich glaube, er hat ein Trauma entwickelt.«
Der traumatisierte Hahn kam auf Elias zugefegt und fuhr ihm mit den Krallen ins Gesicht. Während der Angegriffene mit den Armen fuchtelte, knipste Olly diverse Lampen an. Dann fing sie King Kong ein, öffnete die Terrassentür, die über die ganze Schmalseite der Stube reichte, und warf ihn hinaus. »Revierverteidigung, so was ist ganz natürlich«, erläuterte sie, während sie flüchtig Elias’ Kratzer begutachtete. King Kong flatterte von draußen gegen die Scheibe – das hatte schon etwas von Jurassic Park , fand Elias, der befürchtete, gerade selbst ein Trauma zu entwickeln.
»Man möchte es nicht meinen bei einem so kleinen Gehirn«, sagte Olly. »Aber an den Hennen hing sein ganzes Herz. Er trauert wie ein Mensch.« Sie führte ihren Gast hinauf in ein Zimmer, das voller Gerümpel stand, als sei sie gerade erst eingezogen. Ein Bett, immerhin mit Bettwäsche bezogen, dazu eine Kommode, von der die gelbe Farbe abblätterte, ein Stuhl und Umzugskartons in sämtlichen Größen.
»Mach’s dir selbst gemütlich, ja?«
Elias nickte.
»Und noch was.« Sie kam auf ihn zu, plötzlich wieder ganz Staatsanwältin, mit dem typischen Du-kannst-mich-nicht-verscheißern-Blick. »Binnen einer Woche bist du hier wieder raus. Dann hast du dir selbst was gesucht. Sieben Tage, klar?«
Völlig.
»Das hier ist nämlich nichts als Amtshilfe, wegen der Touristensaison, weil du da kein Zimmer finden wirst und weil wir hier traditionell gastfreundlich sind. Ansonsten läuft nichts.«
»Eine Woche reicht bestimmt«, versicherte Elias.
»Gut. Das Bad ist am Ende des Flurs.« Mit diesen Worten verschwand sie in ihrer eigenen Kammer.
Es lief nicht schlecht in den nächsten Tagen.
Maik Hindemissen, der im August Spargel geerntet haben wollte, landete in dem gemütlichen kleinen Untersuchungsgefängnis in Aurich. Der Döskopp kam mit einer Ermahnung und einer väterlichen
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